Archiv des Autors: VEB wortfeile

begriffenfeldt: benebelt an der blumenbar

manchmal wirken die google-suchanfragen wie eine sammlung von kuriositäten, dann wieder wie ein gruselkabinett oder wie ein blick in das tal der ahnungslosen. das reicht von gezielter begriffsuche mit 100-prozentigen trefferquoten bis hin zu allgemeiner bildungsferne. mir war schon, bevor ich den artikel über das wave-gotik-treffen schrieb, bewußt, daß ich mir da einige suchende anlocke, die wohl eher fetischseiten erwarten und vermutlich nach kurzem überfliegen des textes ohnehin wieder verschwinden. ich fühle mich hin- und hergegoogelt zwischen blümchenwiese, weichspüler und hardcore. medienkompetenz wäre wieder ein kapitel für sich.

‚erpressern linguistisch auf der spur‘: nur unter der bedingung, daß…

‚kitsch, retro, kunst, kritisch‘: kitsch? nicht bei mir!

‚pappel + flusen‘: schon mal aus dem fenster geschaut?

’stirntier‘: lästige haare im gesicht oder doch esoteriker?

‚pilotenküche‘: umstieg von kochsendungen im fernsehen auf fliegende köche?

‚pflanze, flaschenputzer, flaschenreiniger, pfeifenputzer, schönfaden, zylinderputzer‘: ich würde blumenladen oder haushaltswarengeschäft empfehlen.

‚lehrstück‘: ich bin nicht berta brecht, das war der bertolt.

‚aussprache pujol‘: französisch!

‚verniedlichung fachbegriff‘: diminutiv!

‚prothese high heel‘: ich weiß nicht, ob der orthopäde extras anfertigt.

’schuldbürger‘: bekennender sogar…

’satire rechtschreibung‘: reformiert oder unreformiert?

‚being erica main theme lyrics‘: ich veröffentliche noch keine songtexte.

‚fachbegriff für irrenanstalt‘: ich sitze schon seit monaten in der psychiatrie. keiner hilft mir hier raus.

‚latex‘: davon bekomme ich ausschlag.

‚high heels für männer‘:  gleichstellung bei der folter?

‚knochenbruch high heels‘: wäre in turnschuhen beim bergsteigen nicht passiert.

‚riechen manipulation‘: daß manipulation durch unbewußt wahrnehmbare duftstoffe funktioniert und im handel und in büros zur leistungssteigerung eingesetzt wird, wissen viel zu wenige (’schöne neue konsumwelt – manipulation durch duftstoffe‘). ich gehe deshalb nicht hungrig einkaufen. das begrenzt die waren auf den tatsächlichen bedarf.

‚wgt poser street‘: egomanie existiert in allen sozialen schichten. rote teppiche eignen sich ebenfalls.

‚chemnitz imagekampagne‘: oder wie eine stadt ihre gründerzeithäuser abreißt, fördermittel kassiert und die kulturelle vergangenheit vernichtet. kati for gorl-murx-stadt!

’nylon strumpf maske einbrecher‘: habe ich immer griffbereit unter dem kopfkissen, damit ich im falle eines falles sagen kann: ‚ich war aber erster! ätsch!‘

‚beförderungsband‘: ich glaube, daß meine blogbeiträge einer karriere eher abträglich sind. da stehe ich drauf.

‚riechvorgang beeinflussung‘: wenn kopfschmerzen durch duftkerzen und opiumräucherstäbchen die unlust steigern sollen? die pille abzusetzen, hat auch manchmal den unerwünschten nebeneffekt, daß man den mann, von dem man kurz zuvor noch kinder wollte, plötzlich für einen pavian hält.

‚experimente in gummi latex maske schicht‘: ich würde bis zum feierabend warten. wenn das ihr chef wüßte… gelegentlich enden sexspiele letal. ein paar luftlöcher sollten sie schon lassen.

‚ponyskelett‘: schon wieder? ich hab aus den knochen schon schmuck geschnitzt.

‚himmelfahrt männertag glosse‘: sagen sie mir, wie es war und wird. ich leide seit meiner geburt an jährlich wiederkehrenden filmrissen.

VR deutschland?

in vielen beiträgen, die ich in letzter zeit über das thema internetzensur gelesen habe, wird das meist als ein künftiges phänomen beschrieben. die bundesregierung hat unter zensursula und schäublone einen gesetzentwurf verabschiedet, womit dem akb (123-321) das anlegen geheimer internetsperrlisten gestattet wird. internetanbieter sind dann gesetzlich dazu verpflichtet, den zugriff auf solche webseiten zu blockieren (vgl.).

nun gibt es aber bereits seiten, die von deutschland aus nicht mehr ohne weiteres lesbar sind. ob es der mißachtung von datenschutz, denunziantentum oder verletzung der privatsphäre geschuldet ist, sei dahingestellt. ich finde die seite http://www.rottenneighbor.com/ bietet für mich auch keine lösung, um nachbarschaftliche, freundschaftliche, private, familiäre, berufliche, strafrechtliche oder gesellschaftliche probleme zu lösen. für andere scheint ‚rache‘ oder öffentliche bloßstellung der einzige ausweg zu sein. dies soll aber nicht gegenstand des beitrags sein, sondern die permanente unerreichbarkeit der seite mit dem hinweis: ‚we’re sorry, we are currently down for maintanence.‚ (übrigens mit einem schreibfehler im dauerhinweis des deutschen providers. richtig wäre: ‚we’re sorry, we are currently down for maintenance.‘). es stellt sich aber nun bei meinen recherchen dazu heraus, daß dies schon mindestens seit ende februar 2009 der fall sein muß, wie in dem artikel ‚rottenneighbor.com ist für deutsche internetuser unerreichbar‚ nachzulesen ist. also falls auf meiner wordpress-seite bald der hinweis ‚wartungsarbeiten‘ auftaucht, würde ich vermutlich ungläubig gucken, aber es würde mich auch nicht sonderlich verwundern. man kann diese sperren übrigens umgehen, mit proxy-servern (siehe screenshot von heute) oder durch surfen über sog. virtual private networks (vpn). das ausmaß  der internetzensur, die vor ’sicherheitslücken‘ nicht schützen kann, wird deutlich, wenn man den artikel über netzschnüffler und zensurunterwanderung in der volksrepublik china liest.

screenshot rottenneighbor.com

screenshot rottenneighbor.com

viel zu oft habe ich, wenn ich das thema internetsperren oder schutz der privatsphäre und verhinderung von vorratsdatenspeicherung in diskussionen ansprach, die antwort erhalten: ‚ich?! ich habe nichts zu verbergen!‚ aha, natürlich wedeln nun alle mit ihren weißen westchen wie mit patriotischen winkelementen herum. meine gegenfragen lauten: und wie sieht es mit deinem steuerbetrug in den letzten drei jahren aus? wie hoch ist dein kontostand und dein sparvermögen? wann hast du geburtstag? wie lautet deine sozialversicherungsnummer? wo wohnst du genau? wie hoch ist dein jahreseinkommen? wie oft bist du schon fremdgegangen? sorry, wenn sich da mal bei den antworten nicht die balken verbiegen vor lügen. dieses argument ist schlicht und ergreifend viel zu kurz gedacht. das neue gesetz ermächtigt das akb, bereits im verdachtsmoment kurzfristig durchsuchungsbefehle zu beantragen. das juristische prinzip ‚im zweifel für den angeklagten‚ wird einfach unterwandert. bei dem jetzigen personalmangel möchte ich sehen, wie da hinreichend im vorfeld ermittelt wird. es erscheint noch nicht mal eine streife, wenn man bei der polizei leipzig häusliche gewalt in der nachbarschaft vermeldet…

es bleiben nur noch zehn tage, die e-petition von franziska heine ‚internet – keine indizierung und sperrung von internetseiten vom 22.04.2009hier zu unterzeichnen (deadline 16.06.2009!!!!!). dazu muß man freilich seine echten daten preisgeben. der kampf um die grundrechte einer demokratie, wozu die freie meinungsäußerung nun einmal gehört, sollte nicht irrtümlich als etwas eingestuft werden, was das volk nichts angeht oder wogegen man sich mit  viel aufwand  wehren muß. dazu braucht man nicht mal den sessel zu verlassen! über 114.600 bürger haben bereits unterzeichnet, so viele wie bei keiner anderen auf den seiten vom bundestag derzeit laufenden petitionen.

warum macht mich aber diese ganze debatte überhaupt so fassungslos? zum einen ist da der viel zu späte aufschrei der journalisten, die sich plötzlich und (haha) völlig unbegründet bespitzelungen ausgesetzt sehen. bei der reaktionszeit einer schnecke muß man wahrhaftig ins grübeln geraten. bereits 1996 wurde in das telekommunikationsgesetz ein abhörparagraph integriert. kaum mediale zuckungen damals! dann nach den anschlägen vom 11. september 2001 die verschärfte rasterfahndung, die übrigens teilweise als verfassungswidrig eingestuft wurde. der ruf nach sicherheit und schutz vor terrorismus. die geheimagenten scheinen ziemlich überfordert mit der orwellschen technikvisionsverwirklichung. politiker kämpfen aber an der front der legitimierten desinformation. die vr china – unsere kritikpunkte bei der mißachtung der menschenrechte, aber nun unser vorbild bei der internetzensur? geht’s noch?

'operative personenmaskierung' (opm) - verkleidungskoffer in den ausführungen 'bauarbeiter' und 'araber' für ausgewählte mfs-mitarebeiter. zu sehen im stasi-museum in der runden ecke in leipzig.

'operative personenmaskierung' (opm) - verkleidungskoffer in den ausführungen 'bauarbeiter' und 'araber' für ausgewählte mfs-mitarbeiter (stasi-museum in der runden ecke in leipzig).

wie viele formen der zensur muß ich eigentlich noch miterleben? da war die kindheit und jugend in der sennheiser-verwanzten ddr.

technik aus niedersachsen - 1952 im einsatz als wanzen der stasi.

technik aus niedersachsen - 1952 im einsatz als wanzen der stasi.

jeder aufsatz, jede klassenarbeit in geschichte oder dem fach staatsbürgerkunde mußte mit einem statement für den ach so fortschrittlichen sozialismus enden (viele wollen sich daran nicht mehr erinnern, schwelgen dennoch in einer mir unerklärlichen nostalgie). eide wurde geschworen (pioniere, fdj, parteitreue), schmutzige hände gewaschen. zwanzig jahre danach, beim besuch im stasi-museum in der runden ecke in leipzig kommt mir diese ddr-überwachung wie ein schlechter witz vor – natürlich in relation zur subtilität heutiger methoden. man schaue sich doch bitte einfach diese bilder zur ‚operativen personenmaskierung‘ an, die so einfach zu enttarnen waren. die spitzel verhielten sich nicht selten so ostentativ und laienhaft unauffällig, daß wir in unserem pubertär-naiven denken über jeden menschen mit lodenmantel, dederonbeutel, hut, brille sowie ausgebeulten taschen dachten, er sei ein spitzel. heute kann man die observierung nur ahnen. wenn die internetverbindung erlahmt oder ganz zusammenbricht. da werden heimlich 5pionage-computerprogramme auf dem rechner installiert, wenn ‚falsche‘ seiten besucht werden wollen, die u.a. nach schlüsselbegriffen durchforstet werden.

falsche nasen, falsche haare - maskeraden für stasi-spitzel made in gdr.

falsche nasen, falsche haare und glatzan - maskeraden für stasi-spitzel made in gdr.

ich ertappe mich oft dabei, wie ich mich bei meinem nicht mal dreimonatigen bloggen selbst zensiere, wie ich in ddr-denkstile zurückverfalle (zwischen den zeilen schreiben und lesen), die zwanzig jahre zurückliegen. und ich hatte mit der politischen wende gehofft, daß dieses selbstbeschnittene denken und reden ein ende hat. vergeblich, wie sich bereits ein jahr später bei meinem zeitungsvolontariat herausstellte. ich lernte zu schnell, daß ich nicht als journalist arbeiten wollte, weil konträre meinungsäußerung unerwünscht ist. warum selbstzensur? einerseits, um mir die schweinepriester vom leib zu halten, andererseits um nicht beim verfa55ung55chutz registriert zu werden. nun gut, jetzt habe ich die petition ‚mitgezeichnet‚, wie es so schön heißt auf der bundestag-internetpräsenz. ich hoffe, der datenschutz funktioniert?!

für die stasi bereits staatsfeindliche hetze - anonyme kritik am agitatorischen staatsfernsehen aus dem jahr 1969. abschnittsbevollmächigte (abv) kontrollierten damals die ausrichtung von fernsehantennen.

für die stasi bereits staatsfeindliche hetze - anonyme kritik am agitatorischen staatsfernsehen aus dem jahr 1969. abschnittsbevollmächigte (abv) kontrollierten damals die ausrichtung von fernsehantennen.

ich lebe heute in leipzig, in der stadt, in der am 26.juni 1981 die letzte todesstrafe durch genickschuß in der hinrichtungsstätte in der alfred-kästner-straße an werner teske (mfs-mitarbeiter mit ddr-fluchtplänen) vollstreckt wurde. als kind und bis zu meinem 18. lebensjahr blickte ich beim frühstücken allmorgendlich auf den glockenturm des ehemaligen konzentrationslagers buchenwald, später waren hier politische gefangene der sowjetischen besatzungsmacht untergebracht. lediglich über das kz durfte in der antifaschistischen ddr offiziell gesprochen werden. hinrichtungen und sowjetische internierungslager unterlagen strenger geheimhaltung. dennoch sickerten andeutungen durch. weimar ist eine kleinstadt, leipzig eine großstadt mit kleinstädtischem charakter. jüngst fiel mir auf, daß die hinweistafel zur hinrichtungsstätte demontiert wurde. ich habe keine ahnung, von wem und warum und ob sie wieder angebracht wird. restaurierungsbedürftig sah sie vor ein paar monaten noch nicht aus…

zum abschluß noch ein kurzer blick in die länger zurückliegende zensur-historie (oder besser zensurhysterie). wachsamkeit war schon das schlagwort des stalinismus, um nachbarn, freunde, feinde, konkurrenten, ehepartner in der sowjetunion unter dem vorwand der staatsfeindlichkeit zu internieren. der ‚große terror‚ (auch ‚große säuberung‘) unter stalin und nkwd-leiter jeschow in den jahren 1935 – 1939  forderte millionen opfer, die in arbeitslagern verschwanden, erschossen wurden, ohne jeden prozeß. die schauprozesse mit gefälschten anklagen und erpressten zeugen – sie überzeugten sogar eine menge westlicher kommunisten von der notwendigkeit, die politische macht mit allen mitteln zu erhalten. welche verblendung. oder nehmen wir die mccarthy-ära in den usa, der ausschweifende antikommunismus von senator joseph mccarthy bis etwa 1956. auf mitglieder der amerikanischen kommunistischen partei und deren vermeintliche sympathisanten wurde eine regelrechte hetzjagd gemacht (auch hier wieder gefakte prozesse; filmtips: ‚schuldig bei verdacht‚, ‚good night, and good luck‚). und noch heute wird der begriff mccarthyism verwendet, wenn die bevölkerung medial oder politisch in angstzustände versetzt werden soll. oder der fall richard gere, der china bei der oscar-verleihung 1993 für die tibet-politik kritisierte. er wurde dort flugs zur unerwünschten person erklärt und bekam auch spürbar weniger rollen in der heimat… usw.

um eins klarzustellen: ich bin kein freund von strafrechtlich relevanten internetseiten. aber es geht auch ohne internetsperren, wie dieser artikel zeigt. löschen, löschen, löschen! manchmal hilft aber nur noch ein guter fachanwalt für internetrecht. und das wird teuer! soweit sollte es nicht kommen, sonst muß ich nach fast 18 jahren ddr und  fast 20 jahren brd doch noch auswandern. oder wenigstens mein handy gegen trommeln und rauchzeichen eintauschen bzw. mein laptop gegen eine schiefertafel.

glückskekse

wanted_glueck1

die ganze woche geisterte das thema glück durch die medien. ob spiegel, focus, maischberger – alle erteilten eifrig ratschläge. das reichte vom esoterischen hokuspokus (maischberger), über selbstverwirklichung bei heimwerken und handarbeit (focus) bis hin zum evolutionsphilosophischen jagdtrieb à la thomas metzinger (spiegel). und? ist jetzt irgendjemand glücklicher, nachdem er tausende neue lebenshäkelvorlagen bekommen hat?

ich_und_bildungdie frage ist doch vielmehr, warum uns mitten in der diskussion um die globale rezession und allgemeine berufliche unsicherheit plötzlich glückskekse in die futterschale geworfen werden? ist das das prinzip: wenn die welt schlecht zu dir ist, pflege dich und zieh dich zurück ins traute heim? du mußt sparen, dann mach‘ es dir selbst? entsteht individualität aus sparzwang? meine these: es handelt sich um die klassische und gezielte verdrängung. einfach warten, bis dich der panzer überrollt, aber in der zwischenzeit immerhin ein paar mauschlig-warme, geringelte  wollsocken gestrickt haben. das befriedigt und befreit von allen äußeren zwängen.  hallo überich, ich warte schon auf die depression. wer war ich, was wird aus mir, warum immer ich? der schrei nach der verlorenen authentizität, die nie eine war, sondern immer geformt und manipuliert wurde. knetmännchen oder strichmännchen? ach, senior rossi, komm laß uns gemeinsam ein bißchen traurig gucken!wanted_glueck

wohingegen derjenige, dessen fahrradschloß hier einsam und ohne blech am laternenmast baumelt, doch wirklich ein bißchen mehr glück gebrauchen könnte. und dann wahrscheinlich zu hören bekommt: das wird schon. trostloser trost, der in jeder situation paßt. dein hase ist gestorben? wird schon! dein auto wurde gestohlen? wird schon! du hast die kündigung bekommen? wird schon! in china wurde ein atombombentest ausgeführt? zwei? wird schon! du hast jetzt auch krebs? die götter in weiß heilen das… wird schon! – nun, ich habe einseitige ohrenschmerzen davon bekommen, weil zu oft gehört. schneide ich mir das eben ab  (kopie von van gogh) und laß es mir im unterarm implantieren, fast so pathologisch wie stelarc.

bier:meinungs:bild:ung

liebe kloschüssel,

sonntags umarme ich dich immer mit ganz besonderer inbrunst. ich klammere mich an deine kühlende keramik, während ich die unbill der woche aus mir herauswürge. ich leide nämlich an sonntäglicher boulevardbulimie. kennen sie das krankheitsbild etwa nicht? die symptome und ursachen sind wie oben beschrieben. so kann ich montags wieder fit zur arbeit und den boulevardesken sondermüll von unterwegs und den von kollegen obendrein mitgeteilten schlucken. mein gemeinarzt behandelt mich nur noch einmal pro quartal, obwohl das leiden chronischer mediennatur ist. er sagt, das würde von alleine verschwinden, wenn ich mich den medien nicht aussetzte. hah! von wegen, wegschauen und weghören – hab ich alles schon versucht. irgendeiner klatscht dir den unrat dann doch wieder ganz gezielt mitten in die visage.

oder dieser kommt per elektronischer post. ich bin mir zu 99,99 prozent sicher, nie an einem gewinnspiel teilgenommen zu haben oder unbedacht spammails zu öffnen. freitag ging dann das hier in meinem postfach ein:

Absender: SuperComm Data Marketing GmbH

Von: Testhaushalt newsletter@supercomm-mail.com

Sie erhalten diese E-Mail, durch Teilnahme an einem unserer Gewinnspiele oder einer unserer Umfragen (Übersicht unter http://www.netwerbung.de <http://supercomm-mail.com/12all/lt/t_go.php?i=3543&e=NzgyNTU0&l=-http–www.netwerbung.de&gt; ). Die auf den Seiten jeweils hinterlegten AGB fanden Ihre Zustimmung.

das wage ich arg anzuweifeln!!! vor allem nicht vom firmenrechner aus. da hätte sich längst der admin bei mir gemeldet, und ich hätte eine abmahnung von der firma bekommen. aber das mitgeschickte waaahnsinnswerbeangebot finde ich noch viel bezeichnender, wie man auf diesem screenshot sehen kann:

(c) axel springer ag

(c) axel springer ag

die klientel wird dadurch zweifellos auf bierkonsumenten beschränkt (im doppelten wortsinn), was ich im stillen ohnehin geahnt hatte. heute sind es keine uhren und haushaltsgeräte, mit denen die ‚bild am sonntag‘ mehr leser gewinnen kann. heute müssen menschliche grundbedürfnisse befriedigt werden – mit gratisbier und vorteilspreis. der tag müßte doppelt so lang sein, damit ich das alles wieder auskotzen könnte.

vielleicht kann mir irgendjemand verraten, wie man solche werber wieder los wird?  ich befürchte, wenn ich den ’newsletter‘ mit einer mail und betreff ‚austragen‘ beantworte, geht das scheißspiel erst in die hauptrunde, und das alles war nur der höpfisch-mälzische vorgeschmack – sprich bitter…

thanx for help!

bähx, ich muß gerade noch dreimal *würgwürgwürg* sagen, weil  mich dieser dummenfang derartig anekelt!

scha:r:fsinn

um neues zu entdecken, muß ich nicht zwingend meine vertraute umgebung verlassen. ich kann einfach meine wahrnehmungsposition verändern. das pfingstwochenende mit besuchern bot solche möglichkeiten, aus dem alltäglichen auszubrechen, ohne auf drogen zurückzugreifen, wie aldous huxley es in seinem aufsatz ‚die pforten der wahrnehmung‘ beschreibt. schon der tempowechsel der fortbewegung von fahrrad auf füße entschleunigt, öffnet den blick für sonst vorbeirauschende kleine details. da müssen nicht die in allen touristenführern beschriebenen sehenswürdigkeiten begafft werden, die  die gäste ohnehin schon vor jahren gesehen haben. überall an den fassaden, regenrohren, stromkästen, laternenpfählen, verkehrsschildern und mauern findet sich street art, nachdenkliches, kurioses; ganz beiläufiges, was stutzig macht. ich frage mich manchmal, wer  bei den entdeckungstouren eigentlich neugieriger ist, die besucher oder ich?

die gespräche umkreisen verschiedene themen, plötzlich unterbricht wieder einer und sagt: das da drüben muß ich mir mal aus der nähe betrachten. wühlen in den hosentaschen, kamera auspacken, hoffen, daß die bildqualität stimmt, ein bißchen mit der belichtungszeit spielen, mit den perspektiven. das vergängliche irgendwie festhalten wollen, bevor es übermalt, gecrosst oder überklebt wird. und dabei an die flüchtigkeit des lebens denken, an zufall, an politische grabenkämpfe; feststellen, daß man ganz nebenbei lernt, verschiedene stile zu unterscheiden und wiederzuerkennen; sich nicht darüber wundert, warum man nie hausbesitzer werden wollte.

peu à peu werde ich das fotografierte hier dokumentieren, wenn es zum thema paßt oder sich ein eigenes thema aus den bildern ergibt. und weil gerade wieder viele über die schafskälte meckern, habe ich in meinem fundus schon die entspechende bildliche darstellung gefunden.

schafskaelte

ich freue mich über jeden besuch, in der realität über den angekündigten, in der virtualität über den unverhofften, der mit mir nicht über das wetter kommunizieren will. small-schreib (fieses denglisch) und -talk gehörten so gar nicht zu meinen stärken und stellen mich vor große geduldsproben. einfach nur höflich sein wollen, finde ich sekkant. menschen werden für mich oft erst interessant, wenn sie ihre masken ablegen oder sich ganz offensichtlich  maskieren, um ihr lebensgefühl auszudrücken. dafür nehme ich mir liebend gerne viel zeit. vielleicht wird auf diese weise aus dem wolf im schafspelz ein respektables wesen. vielleicht aus scharf- auch nur schafsinn. perspektivenwechsel und zeit sind meine basis für veränderung.

plakatpossenparoli

die wilde plakatiererei hat in leipzig schon seit langem ausmaße angenommen, die sich bald nicht mehr in zentimetern übereinander geklebter schichten angeben läßt. im wahlkampf für europawahl und stadtratswahl am kommenden juniwochenende müssen nicht mehr nur die wände und mauern dran glauben, sondern so ziemlich jeder laternenmast und jedes verkehrsschild wurde mit mehr oder weniger gräßlichen, größtenteils populistischen devisen in den höhen von knietief bis himmelhoch behängt. ist das nicht eigentlich verkehrswidrig? zusätzlich finde ich täglich irgendwelche zettelchen mit politikerbildchen in meinem briefkasten. soll ich diese eisige lächeln hübsch finden? die zusammengebissenen zähne gar? oder die familienidylle? gibt es dafür etwa auch schon sammelalben? das ist reine papierverschwendung und wenig umweltfreundlich, auch von den grünen… immerhin habe ich eine papiermülltonne, in der das entsorgt werden kann. dafür muß ich aber die gebühren zahlen, nicht die verursacher.

bereits ende mai wurden die fdp-wahlplakate mit dem slogan „für gentechnik im essen“ verfremdet, wie man hier lesen kann. am samstag habe ich dann am fockeberg die überklebungen auf den plakaten der spd und auch von den grünen entdeckt.

regieren

dabei mußte ich feststellen, daß sich die aufgeklebten sprechblasen auf dem wahlplakat von christopher zenker, der hier mit ‚vielfalt erhalten. vielfalt leben‘ in unpolitische allgemeinplätze geflüchtet ist, einer wesentlich deutlicheren sprache bedienen. ‚hauptsache regiert werden…‘ spielt auf das politische desinteresse an. ‚einer muß ja sagen, wo’s lang geht‘ auf die orientierungslosigkeit im gesamten land. die originalslogans auf den wahlplakaten verbessern den gesellschaftlichen zustand keinesfalls. zenker stapelt sogar noch tief, indem er die vielfalt nicht vergrößern, sondern lediglich stabilsieren möchte.

spd

die manipulation mit den sprechblasen wird sicher den wenigsten auffallen, weil die plakate in der gesamten stadt so omnipräsent sind, daß man schon im spaziergängertempo daran vorbei schlendern muß, um die verfremdung überhaupt wahrzunehmen. danke trotzdem für den versuch, die leipziger mit dem plakatpossenparoli aus ihrer lethargie wachzurütteln. ich frage mich allerdings, warum die wahlpamphlete der linken so seltsam verschont geblieben sind. das lag ganz bestimmt daran, daß der plakatierer hexenschuß hatte und sich nicht so weit herunter bücken konnte.

patchoulipolizei

wolken

je dunkler die wolken über leipzig am pfingstwochenende, um so farbenprächtiger zeigte sich das partyvolk des wave-gotik-treffens (wgt 2009). möchte der ortsfremde meinen, es handle sich um eine ansammlung von vorwiegend in trauerfarben gekleideten menschen, irrt er. die schwarze szene ist bunt, und selbst für außenstehende wie mich sind die unterschiede recht deutlich. nur kann ich diese nicht zwangsläufig irgendwelchen schubladen zuordnen, die da reichen von goth, elektrofolk, neofolk, bdsm- und anderen fetischen, punk, metall, cyborg, mittelalter bis hin zu visual kei. in der vielzahl der verkleidungen changiert das zwischen christopher street day und love parade. schwarz dominiert deutlich, dominanz führt devot an ketten spazieren, schwarz trifft auf neon, spitze auf latex, leinen auf pelz, corsagen auf netzstrumpfhosen und strapse, mönchskutte auf sensenmann. mittendrin viele neugierige oder schockierte gaffer in jeans, t-shirt und turnschuhen. knipsen, posen, betont gelangweilt dreinschauen, obzwar die grusel/show beiderseits genossen wird.

leipziger müssen gar nichts sehen können, um zu wissen, welches ereignis gerade zelebriert wird. es ist meilenweit zu riechen. es ist nicht ein hauch von patchouli, es sind wahre duftschwaden, die sich in die regenfeuchte luft mischen, die von der sonne in bedrohliche atemnot gegrillt werden, die unter latex, pelz, gummi, leder, kunststoffspitzen und schwerem samt hartnäckig mit bakterien vermischt der zersetzung anheimfallen. da wünscht sich die geplagte nase gerne eine patchoulipolizei, die alle parfumflakons bei der ankunft beschlagnahmt und am einlaß lediglich tropfenweise wieder kontrolliert abgibt. vieles wird einfach zu dick aufgetragen, um aufzufallen. anämisches weiß im gesicht, bunte röhren auf dem kopf, gestalten zwischen anorexie (sensenmann) und adipositas (rubensromantik).

sensenmann1tja, und selbst der tod benutzt heute moderne kommunikationsmittel und klopft nicht mehr einfach nur unangemeldet an der tür, um seine nächsten opfer zu wählen. per handy beauftragt er es, den inhalt der patchouliflasche am ganzen köper zu verteilen, sich dem schweren, muffig-süßlichen duft hinzugeben und auf  sein erscheinen zu warten, um es von den höllenqualen des langsamen erstickungstodes zu erlösen.

ohne nase zuklammern und näselndes sprechen konnte man sich dem fremden zauber nicht nähern. der wind war des todes eilfertiger bruder und hat es eifrig in meine nasenlöcher geblasen, sobald die luft knapp wurde. röööchel, japs. ich habe überlebt, es bedurfte aber eine intensivmedizinischen nasendusche und literweise sauerstoffzufuhr.

zimmerso unaufgeschlossen meine duftempfänger auch sein mögen, die leipziger sind nach wie vor freundliche gastgeber. ganz im stil des mittelalters verfaßte dieser vermieter ein angebot zur übernachtung. die ränder des papiers sind stilecht mit brandrändern versehen worden. für das eher zeitaufwendige styling der meisten gäste ist ein eigenes zimmer freilich gold wert. andererseits ist man dann weit entfernt vom laufsteg auf der agra, einer zeltstadt auf dem festivalgelände.

abgesehen davon hatten zahlreiche geschäfte in der innenstadt und den szenevierteln schwarze fetischdekorationen im schaufenster aufgehäuft. und so verwundert es nicht, wenn vermutlich kunststudenten vor dem museum der bildenden künste in der katharinenstraße an einem bauzaun schwarze müllsäcke drapiert haben, was sowohl aus ferne und nähe stark an latex erinnert. auf einem kleinen weißen schild neben dem luftballon war mit hand das wort ‚garderobe‘ geschrieben worden. eine pittoreske persiflage… ähnlich schlaff im wind baumelnd müssen sich die herrschaften in den stiefeln mit gefühlten drei kilometer hohen absätzen abends irgendwo fallen gelassen haben. schon vom zusehen, wie sie ihre füße matt-vorsichtig voreinander setzten, ohne stützende begleitung keinen meter alleine über das kopfsteinpflaster laufen konnten, verspürte ich phantomschmerzen an allen körperteilen beckenabwärts.

muelltueten4

irokesedie frisur links im bild scheint eine mischung aus irokese (punk) und narrenkappe. die beiden im vordergrund stützten ihr mit ketten und schnallen beschwertes schwarzgewandetes körpergewicht auf wanderstöcke mit totenköpfen.

meditation

bunt gekleidete zaungäste. gucken, reden, meditieren, sonne genießen vor der moritzbastei beim wgt.

military

von der rolltreppe auf die welt hinabschauen: zwischen militär- und schuluniform präsentieren sich diese schnallen lasziv den hinaufrollenden.

mittelalter

da wartet der mönch vermutlich vergeblich auf bekehrung.

punk

punks im leipziger kopfbahnhofsprunk.

wgt3

röhren auf dem kopf, die wie raupen aussehen, corsagen im rücken. aus erfahrung kann ich sagen, daß dreadlocks wesentlich pflegeintensiver sind, weiß aber nichts über die hohlraumgestaltung unter diesen schläuchen.

wgt

romantiker kämpfen mit dem großstadtverkehr. welche stahlkutsche darf es denn sein?

alles in allem eine illustre gesellschaft, in die ich mich jederzeit wieder gern begebe (bis auf den einen herrn in wehrmachtsuniform mit eisernem kreuz als gürtelschnalle – diese ‚provokation‘ halte ich nach wie vor für verfassungsfeindlich und am sichersten in einem museum untergebracht).

kunstkonsum und naturkonsum

in der werkschau ‚¡que viva mexico!‘ der galerie hilario galguera auf dem gelände der baumwollspinnerei in leipzig waren sehr unterschiedliche werke zu sehen, die um das thema leben und tod kreisten, wobei letzteres deutlich überwog. eines der farbenprächtigsten ausstellungsobjekte ist die installation ‚guia de campo‘ (naturführer) von benjamín torres.ausgeschnitten1

torres hat zahlreiche vögel aus einem buch über die fauna von mexiko ausgeschnitten, das buch an einer lindgrünen stellwand befestigt, an der die vögel in schwärmen zu fliegen scheinen. freilich nur von weitem so betrachtet. tritt man näher, sieht man die befestigung mit stecknadeln. aufgespießt wie papierne grillhähnchen.

aufgespiesst die zeichnungen können noch so naturalistisch sein, die vögel wirken dennoch in büchern wie ausgestopft, tot, still, unecht.  die collage unterstreicht diese wirkung. statt sich die vögel in der natur zu betrachten, ihrem gesang zu lauschen, betrachten wir sie uns in einer galerie als kunst in ihrer künstlichkeit. und im hintergrund zwitschern allenfalls besucher gerade per twitter in die welt, was sie gerade machen, denken, fühlen, sehen. manche führen aber auch tiefsinnige gespräche in gestelzter sprache von kunsthistorikern über die möglichen interpretationen.

die werke von torres thematisieren nach eigener aussage immer wieder das verhältnis des menschen zum konsum (‚before anything else, we are consumers‚). in der wievielten abbildungsebene befinden wir uns mit diesen fotos? bereits in der vierten dimension. japaner beispielsweise sieht man eigentlich kaum mit den augen schauen. ihre visualisierung scheint nur noch aus blicken auf und durch displays zu bestehen, die sie vor die und tendenziell das dort gesehene für die wirklichkeit halten. der gelenkte blick, immer an den  sogenannten sehenswürdigkeiten orientiert, die ihr blickfeld einengen. sie wirken ein wenig entrückt, wenn man ihren weg beim stadtrundgang zufällig kreuzt. und während sie mit zoomen und knipsen und filmen beschäftigt sind, verlieren sie die aufmerksamkeit für ihre unmittelbare umgebung.

in einer reportage über die auswirkungen der technisierung  saßen japanische altersheimbewohner an einem runden tisch und streichelten sprechende roboterhunde. fasziniert starrten sie auf ihr spielzeug, von kommunikation untereinander keine spur.

ich habe gerade unglaublich große lust, mich in das hohe gras einer ungemähten wiese zu legen und einfach in den himmel zu starren, mit einem grashalm im mund, auf dem ich herumkaue. nichts hören – außer grillenzirpen und vogelgesang. oder sollte ich mir die naturstimmen-cd bei amazon bestellen? so als surrogat?

schöne neue konsumwelt – manipulation durch duftstoffe

auszug aus meiner magisterarbeit ‚a rose is a rose is a rose (gertrude stein) – geruchskostüme in der kunst‘

1999 etablierte sich an der hochschule für kunst und gestaltung burg giebichenstein in halle der bundesweit erste studiengang multisensuelles design, der sich forschungen in den bereichen akustik- und olfaktorikdesign in zusammenhang mit traditionell visueller gestaltung zur ganzheitlichen gestaltung von synästhetischen atmosphären widmet. in seinem sachbericht ‚modellversuch im hochschulbereich multisensuelles design’ rechtfertigt der dozent und initiator des projekts, peter luckner, gleich in der einleitung die experimentelle praxisforschung:

‚als kern des problems gilt hier die kritische handhabung der objektiv gegebenen maßlosigkeit der gesellschafts- bzw. marktbedürfnisse und deren fesselung in qualitativ und quantitativ maßvollen, zudem methodisch und hierarchisch disziplinierten briefings. typisch für diesen problemzusammenhang sind anfragen der medien in der art: steigern sie mit dem olfaktorischen design nicht den konsumtionsdruck noch mehr… freiheit der lehre, raum für das experiment, möglichkeit für trail and error sind abzugleichen mit den gesetzlichkeiten der leistungsentfaltung, mit unabhängigkeit und bewegungs- und entwicklungsraum der studierenden, mit beschleunigter befähigung zu austauschbeziehungen.‘

erklärtes ziel ist die digitalisierung und synchronisierung von gerüchen, klängen und bildern zur ‚ästhetischen bildung‚ mit hilfe von künstlichen atmosphären, welche die wahrnehmungen für gesellschaftliche beziehungen und entwickelte urteilskraft in einem 3d-computerprogramm schulen sollen und als reaktion auf die privilegierung des sehsinnes mittels technologie auf die komplexität der umweltwahrnehmung verstanden sein will. abgesehen von dem amerikanischen neurobiologen walter j. freeman kooperieren aber vornehmlich bereits jetzt vom duftmarketing profitierende unternehmen mit dem projekt: u.a. die entwickler des so genannten sniffman für geruchskino – technologie ruetz münchen, daimlerchrysler (deren statusauto mercedes bereits mit luxusduft imprägniert wird) sowie das chemieunternehmen haarmann & reimer aus holzminden. fragwürdig erscheint außerdem der studienaufbau, der mit sinnlichkeitsforschung in der medienära beginnt und erst im letzten semester des grundstudiums grundlagenforschung des riechvorgangs in einem einzigen kurs betreibt. nach einem kurzpraktikum gehen die studenten im hauptstudium dann zur marktforschung über, bei dem der naturkontext einen verlorenen posten bildet. bei der schwäbischen kehrwoche können sich mieter mittlerweile das ausspülen der mülltonnen sparen und diese stattdessen mit mülltonnen-deo parfümieren. bereits 2001 waren über 10.000 hotels und geschäfte in deutschland mit duftsäulen des herstellers voitini ausgestattet.

die branche hält sich jedoch bedeckt, was die wirkung des geruchseinsatzes betrifft. gegen die parfümierung von gebäuden in überkonzentration wendet sich aromawissenschaftlerin diotima von kempski. ihre theorie, einen duft nur in minimalkonzentration, also unterhalb der wahrnehmungsschwelle auszuströmen, entstand in den 1980er jahren nach der entdeckung des sogenannten sick-building-syndroms. bei der ursachenforschung über symptome wie kopfschmerzen, tränenfluß und kreislaufprobleme wurde klar, daß nicht nur schadstoffe gebäude verpesten, sondern sich auch einige ätherische öle negativ auf das verhalten und die psyche von menschen auswirken, ja sogar unlustgefühle provozierten. dufteinsatz unterhalb der bewußten wahrnehmung ist dahingehend konzipiert, beim menschen unbestimmte gefühle der behaglichkeit zu evozieren, die verweildauer im raum und die kaufbereitschaft auszudehnen. stimmungsdüfte bestimmen denn auch die atmosphäre in den öffentlichen räumen, die sich nicht an individuellen, differierenden duftvorlieben orientieren, sondern einzig an deren psychischer, harmonisierender wirkung. grossenbacher spricht in seinem duftmarketingseminar dagegen unverblümt von manipulation der gefühlswelt und stimulation von konsumenten:

‚die kunst der ‚unterschwelligen beeinflussung’ ist die fähigkeit, grundlegende verhaltensweisen anderer menschen auszunutzen, ohne daß diese sich des eingriffs bewußt werden und daher glauben, aus überzeugung und eigenem antrieb zu handeln. zweck einer solchen beeinflussung ist, sich dadurch persönliche vorteile zu verschaffen, daß andere, ohne es zu wissen oder zu wollen, zu einem bestimmten verhalten veranlaßt werden. mit den vielen namen (werbung, reklame, marketing, pr-aktion, forwarding, consulting, direct mail usw.), die dieser art beeinflussung gegeben wurden, kann man sie getrost als die magie unseres ausklingenden jahrhunderts bezeichnen. auch die okkulten riten und bräuche vergangener zeiten dienten letztlich keinem anderen ziel, als die mitmenschen auf die ureigene linie des ausübenden einzuschwören, wenn auch damals nicht unbedingt die finanziellen interessen einer kaufhauskette hinter den bestrebungen gestanden haben mögen. lediglich die neubestimmung der götzen ist eine leistung unserer heutigen gesellschaft‘.

zitronenduft und lavendel vermitteln immer das gefühl von sauberkeit und steigern die aufmerksamkeit. synthetisch hergestellter tannennadelduft des badezusatzes suggeriert eine ökologische, naturnahe lebensweise. und so ist eine der wenigen kritischen fragen, die sich grossenbacher stellt, die nach dem grad der denaturierung des zivilisierten menschen. will der göttergatte das taschengeld wegen kaufrauschs kürzen, argumentiert frau von welt ganz simpel und ernstlich empört: beduftete damenboutiquen fördern impulskäufe. indes müßte sich der so genarrte an die konsumtempelbetreiber wenden. verschiedene duftstoffe haben unterschiedliche wirkungen und eignen sich deshalb für vielfältige einsatzbereiche. so wirkt vanille etwa beruhigend, orange und mandarine dagegen lieblich-frisch, zitrusartige konzentrationssteigernd, zimt- und nelkenöl antiseptisch, rose und jasmin edel.

das wissen um den dufteinsatz und die emotionale kaufsteuerung sollten den heutigen konsumenten viel reservierter beim kauf machen, jedoch im intentionalen duftgemisch haben vernunftgründe nur eine geringe chance. geschäfte, die solche verkaufsfördernden methoden anwenden, müßten zudem per verbraucherschutzgesetz verpflichtet werden, ihren laden als duftbombe zu kennzeichnen, wie ja gentechnisch veränderte lebensmittel und synthetische aroma- und konservierungsstoffe auch einer kennzeichnungspflicht unterliegen.

datenkra:n:ke

die musikalischen/sozialen rebellenseelen unter uns erinnern sich wahrscheinlich noch an das album ‚the battle of los angeles‘ von ‚rage against the machine‘, eine hommage an george orwells roman ‚1984‘. auf dem cover ist ein menschlicher umriß zu sehen, der von dem künstler joey krebs gesprayt wurde. der abgescannte, gefilmte, totalüberwachte seelenlose hat sich in einer leipziger straße ins blickfeld gedrängt. gleich dreifach.

safe

wie sicher fühlen wir uns durch öffentliche überwachung? auf der straße? wohl eher hinter den gittern? trügerisch, aus- und einbrecher beweisen das gegenteil. die schlupflöcher werden lediglich enger, nicht unüberwindlich. viele wiegen sich eingelullt in sicherheit, bis sie gewaltsam in die realität zurückgerissen werden.

shot1 manche haben bis heute nicht registriert, daß sie an allen möglichen orten gesehen werden können. als ich vor kurzem im spätshop einkaufen war, konnte ich am monitor über dem verkaufstresen studien über handgriffe verfolgen, die man im allgemeinem im alter von drei bis vier jahren aberzogen bekommt (freud). kurzer kontrollblick über die schulter nach hinten, aber nicht an die decke. natürlich muß der zwickende spaltenrutscher trotzdem in eine erträgliche position gezogen werden. wissen wir ja. wollen wir es aber sehen? also ich könnte durchaus auf den oktroyierten voyeurismus verzichten… und muß für mich konstatieren, daß norbert elias recht hatte, als er die zivilisatorischen schamschwellen stetig ansteigen sah. es gibt dennoch genügend menschen, denen das wort blamage fern liegt, die alles als erfolg deuten, was aufmerksamkeit, provokation erregt. gefolgt von doppelmoral, dem klassischen rollenspiel. ich sehne mich oft nach mehr schutz des privaten, vermummung, anstelle der vollkommenen nacktheit. die transparenz, die versucht, die phantasie klein zu halten; die klarheit vorgibt, aber keine erschaffen kann.

ragegesichtslos, wie peter licht (meinrad jungblut) oder kraftwerk und doch nicht ohne identität. so wie meine rückseite aussieht (nicht wie auf diesen fotos), so sehen einige andere ihr  ähnlich. nichts besonderes. würden sie gerne erkannt werden wollen, nur weil sie nichts zu verbergen haben? eben! wozu die datenkra:n:ken auch noch füttern? die angst vor deren aussterben  ist gänzlich unbegründet.