Schlagwort-Archive: geruch

vorsicht, kunst! oh, schon kaputt.

einige randbemerkungen zum frühjahrsrundgang.

kunst fürs volk! so lautete einst die parole der avantgarde. joseph beuys dachte den gedanken noch weiter: jeder mensch ist ein künstler! und wo kann man die realisierung dieser vorstellungen besser beobachten als beim galerierundgang in der baumwollspinnerei in leipzig, der von anbeginn eher volksfestcharakter hatte? und so scheint es nur logisch, daß das transparent auf dem spinnereigelände am arbeiterkampftag und auch am folgenden tag fordert: an das gerät! eine vielzahl der besucher hatte das dann offenbar so interpretiert, sich selbst vorsorglich bei boesner mit künstlerbedarf einzudecken. denn kunst kann ja schon inspirierend sein. und wo kann man sonst an einem feiertag schon sinnfrei konsumieren? also ringelten sich die menschen an den kassen zu schlangen und schleppten to-do-tüten als zeichen ihrer künstlerischen ambitionen durch die galerien und ausstellungshallen. ah, sagte sich die wortfeile, es wimmelt ja geradezu vor kreativen.

unzweifelhaft brutzelten sich mir die verschiedenen rundgänge in der spinnerei und gleichsam der gestrige olfaktorisch in die nasenhärchen und über diverse rezeptoren in mein emotionales gedächtnis. in diesem kunterbunten allerei von kunst- und küchenangebot war für jeden geschmack etwas dabei. hier gönnt man sich etwa champagner oder austern.

ein aufsteller weist den weg zum bioeis, das von der farbintensität her eher an eine chemischen keule gemahnte.

bratwurstdüfte umwaberten nicht nur den eingang zur werkschau, sondern verfolgten uns bis in den letzten winkel der allerheiligsten kunsthallen. die ereignisreiche besichtigung der dort präsentierten rumänischen zeitgenössischen kunst forderte am ende ihren tribut. und weil ich keine farben und keine leinwand dabei hatte, aber meine innovativen ideen sofort umsetzen mußte, bekleckerte ich meine jacke und meine tasche großflächig mit senf. diesen ephemeren, weil umgehend wieder beseitigten kunststil, kennt man unter dem begriff eat art oder aber weniger artifiziell unter dem namen kleckerliese.

griff zu den knabbereien am tresen der werkschau. erst in der mehrdeutigen übersetzung des wortes resolution als auflösung bekommt dieses foto seinen wahren sinn, den der mitnahmementalität für alles, was nichts kostet.

warum ich kaum etwas über die kunst schreibe? nun, das kommt in einigen späteren texten. und außerdem konnten wir vor lauter kunstinteressierten, die  mit kind und kegel angerückt waren, kaum etwas davon sehen. in der masse bleibt auch nur wenig einprägsames übrig. alleine schon in die ausstellungsräume hinein zu gelangen, erforderte geschickte schlängelmanöver, weil sich etwa einige kinder vor langeweile das treppengeländer der maerzgalerie als klettergerüst auserkoren hatten.

oder mütter mit kinderwagen den frontalagriff suchten. bloß, was kann ich dafür, wenn der babysitter kurzfristig anderweitige pläne hatte?

das gefühl, von manchen themen/dingen/menschen verfolgt zu werden, kennt sicher auch fast jeder. ich bin scheinbar auf den hund gekommen. kulturhungrig zeigt sich dieses bonsai-exemplar mit herrchen in der galerie eigen+art.

aber hunde gibts freilich auch in größer und andersfarbig. dieser hier wird in der werkschau an der kurzen leine gehalten.

und der schwarze will genauso mitreden und fällt kurz nach dem ablichten mit einem artgenossen in bellende polemik. vielleicht sprechen sie ein bißchen zu laut und kläffend über die kunst und über die menschen, die ihre hunde überall mit hinschleppen. aber die übersetzung aus dem hündischen dürfte wohl eher lauten: reviermarkierung ist auch nicht mehr das, was sie früher einmal war. wir müssen nicht draußen bleiben. und das habt ihr nun davon. (r)aus!

der alte zopf mußte ebenso dran glauben. da hängt er nun an der wand. leider hatte ich die kamera nicht griffbereit, als gerade ein mann an der haarpracht schnüffelte und sie begriffelte. denn irgendwie muß man den sinn der kunst ja wahrnehmen, wenn man sie über die bloße visualisierung nicht für sich erschließen kann.

während wir von exponat zu exponat schritten, schepperte es plötzlich hinter einer stellwand. und da wir das ereignis nicht anhand der akustik einzordnen wußten, gingen wir in sichtweite. da lag das unbetitelte objekt von anca munteanu rimnic zertrümmert auf dem boden, weil ein kunstbegeisterter in der halle wie ein elefant im porzellanladen wütete. oder weil der unglücklich gewählte standort vor dem wandfüllenden, grandiosen werk revolutiON OFF von dan perjovschi (dazu morgen mehr) zum tiefsinnigen betrachten im krebsgang verleitete. oder aber, weil das kunstwerk nicht ausreichend im boden befestigt war. eine verkettung unglücklicher umstände mit dem resultat: kunst, leider kaputt.

und so hallt das graffito sicherheit macht träge! am eingang des geländes düster in uns nach. denn in diesem speziellen fall, unachtsamkeit hin oder her, hätte mehr sicherheit eine zerstörung verhindert. uns hats gereicht. und wir flüchteten vor den kulturvandalen in die natur. denn manchmal braucht man einfach eine andere sichtweise auf die dinge. auch auf die angelegentlich unheilige kunst-kommerz-konsumenten-allianz. die kulturellen gräben sind nämlich nicht mal ansatzweise verfüllt worden oder wenn, dann mit beton.

expositionen und ekstasen

măndălina diaconu sieht in der bildlichen und literarischen darstellung von gerüchen zwar keine olfaktorische kunst und begrenzt diese deshalb auch auf den wesensgemäßen bereich der parfümerie (vgl. diaconu, sinaesthetik), dennoch kann allein mit dieser begründung die geruchswahrnehmung nicht generell aus der kunstrezeption ausgegliedert werden. denn wie bereits für das lesen gezeigt, vollzieht sich sinnliche wahrnehmung, selbst wenn sie eigentlich nur für auge, ohr und gaumen bestimmt sein sollte, nicht in der abtrennung der anderen, jeweils nicht dezidiert beanspruchten sinne. das wäre ein fataler kurzschluß, der einer von diaconu selbst postulierten aufwertung der sekundärsinne nicht wirklich dient. es geht hier nicht darum, den symbolwert von malerischen tafelgenüssen, stillleben und jungbrunnen für die olfaktorische kultur zu schmälern, die bedeutende zeugnisse für die jeweilige sinneskultur liefern können. riechbar wird das dargestellte allerdings nicht, es löst maximal einen speichelreflex und hungergefühle aus. aber wie beim lesen sind die rezipienten in einer galerie von olfaktorischen reizen umgeben, die sich zwar ignorieren lassen, deren existenz sich aber nicht leugnen läßt.

exemplarisch wurde die synästhetische wahrnehmung von kunstobjekten zur eröffnung der exposition surréaliste am 17.02.1938 in der galerie des beaux arts von georges wildenstein in paris vorgeführt. bereits die einladungskarte verhieß lust und schrecken, schock und hysterie und spielte mit derart geschürten erwartungshaltungen des publikums. der surrealistische ausstellungsort brach in seiner inszenierung mit allen gängigen vorstellungen von kunsträumen, in dem der besucher in einen erlebnisraum eintrat, der ihn durch seine erscheinungen beeindruckte und modifizierte. katharina sykora charakterisiert den federführend von marcel duchamp entworfenen hauptraum deswegen auch als dichte gesamtinszenierung im sinne eines gesamtkunstwerks (12). marcel jean beschrieb seinen raumeindruck wie folgt:

hier schwamm das wunderbare sozusagen auf der oberfläche des humors, war der raum verfremdet, eine phantastische metapher, in die der besucher, ob er es wollte oder nicht, hineingezogen wurde: eine riesige gewölbte grotte aus zwölfhundert aufgehängten kohlesäcken; der sanft gewellte boden war mit einem dicken teppich welker blätter bedeckt, und in einer bodenfalte schimmerte ein teich mit seerosen und schilf. inmitten dieser unterirdischen lichtung, einer synthese der inneren und äußeren welt, thronte auf einem kleinen podest als zeichen der freundschaft ein brasero, eines dieser glutbecken vor den terrassen der pariser cafés, um die sich die surrealisten im winter häufig zusammengefunden hatten, und in den ecken des saales schimmerten unter golddurchwirkten seidendecken vier prächtige, enorm breite betten als zeichen der liebe. zu beiden seiten des brasero waren an den tetraedern zweier drehtüren graphiken angebracht… hinter einem wandschirm wurde kaffee geröstet, im untergeschoß verbreiteten sich die düfte brasiliens, während aus dem lautsprecher die klopfenden paradeschritte der deutschen armee ertönten. (jean 281).

es wäre ketzerisch, diese euphorisch anmutende schilderung bloß als eine lang nachhallende ekstase durch vernebelnde duftwirkung zu werten. die exposition bezieht ihre wunderkammerwirkung nicht alleine aus geruchsdarbietungen, die ja nur einen teilaspekt im gesamtkonzept ausmachen. in dieser ausstellung wurden ‚permanente’ kunstobjekte innerhalb ephemerer raumstrukturen präsentiert und der stadtraum als leibgebundener erlebnisort arrangiert. inszenatorische gestaltungsmittel wie kohlesäcke, laub, seerosen, schilf, kaffeegeruch brechen in ihrem geruchsbezug mit der trennung von kunst und natur. sie sind inszenierungsmittel für eine bestimmte atmosphäre, einen gestimmten raum und umfassen in ihrer dort dargebotenen weise den dunstkreis der beteiligten künstler, bringen wesentliche elemente ihres lebensraums und ihrer leibbiographie zur geltung. alle geruchsstoffe können olfaktorisch vom rezipienten innerhalb eines veränderten wahrnehmungsfeldes neu bestimmt werden und entfalten sich mit den anderen sinnesdarbietungen zum performativen, synästhetischen und phänomenologischen welt- und kunstzugang.

die rollenänderung, besser das geänderte rezeptionsverständnis manifestiert sich auch in der lichtinszenierung mit taschenlampen von man ray, durch die der rezipient zwischen zuschauer, angeschautem, riecher, hörer, wandelnder hin und her gerissen wurde. immer aber blieb er in dieser ausstellung ein aktiver, der subjektiv die wahrnehmungspforten öffnen musste und seine ganz individuelle beteiligung durch jeweils ganz eigene eindrücke erfuhr. innerhalb dieses verdichteten städtischen raumes vermischten sich öffentliches und privates, innen und außen. die erotische inszenierung von schaufensterpuppen als objekten der schaulust im korridor führte im gewimmel der leiber von ausstellungsbesuchern geradewegs zu den verlockenden betten.

auf ähnlichen kunstaktionen des dada und der surrealisten beruhen viele entwicklungen moderner und postmoderner kunst. wesentliche einflüsse sind auch in der performance wieder zu finden. zum riechen und anderen sinneswahrnehmungen reizte ebenso die innsbrucker ausstellung the invisible touch – unsichtbar wahrnehmbar im kunstraum (januar/märz 2000). internationale künstler setzten sich mit ästhetischen reizworten empfindsamkeit, subjektivität, interaktion innerhalb ihrer kunstauffassung einer sinnlichen, nicht rein intellektuellen kommunikation auseinander. job koelewijn beteiligte sich mit zwei olfaktorischen kunstprojekten: wände und boden im talcum room waren komplett mit babypuder bedeckt. neben dem optischen eindruck, den spuren, die der rezipient hinterläßt, kann der geruch von babypuder zahlreiche erinnerungen (z.B. kindheit, mutter- und vaterfreuden) und gedankenketten hervorrufen, die den rezipienten in seiner leibbiographie verorten. in der bibliothek lag auf dem lesepult ein geöffnetes buch, in dem auf allen 730 seiten das gedicht the road not taken von robert frost mit rinderbouillon geschrieben wurde. das riechbuch spielt einerseits auf den verloren gegangenen bezug zum material an. frische druckerschwärze läßt bücher identisch riechen, schon nach kurzer zeit in einer wohnung oder einem muffigen keller tragen sie eine veränderte duftkarte, was auch der kauf von gebrauchten büchern auf dem flohmarkt oder im antiquariat bezeugt. andererseits offenbart die wiederholungsstruktur den charakter von geruchserinnerungen. kunst erscheint hier nicht mehr nur als form- und vernunftsache, sondern bietet leibgebundene erfahrungen und erfahrbarkeit als mögliches kommunikationsmuster an, die sich in einem persönlichen prozeß vollziehen und als performative erweiterung der kunst interpretiert werden können. das kunstwerk wird damit zum berührungspol, an dem sich der rezipient reiben, abstoßen, anschmiegen kann und eröffnet einen wechselseitigen und wenig vorhersehbaren kommunikationsprozeß, der unsere aktive teilnahme erfordert. (damianovic 1).

die lebenden skulpturen gilbert & george vereinigten in ihrer londoner ausstellung naked shit als inkarnation der analerotik körpermaterien des unterleibs mit einem ästhetischen verständnis, das laut selbstaussage dazu beitragen sollte, den tabuisierten, neurotischen, geringstenfalls verklemmten umgang mit blut und fäkalien als natürlichen materialien zu normalisieren: was tun wir letztlich anderes als essen und scheißen? nicht viel, und dann sterben wir. [1] ihre unbefangene, spielerische und sarkastische haltung löste nicht den von kritikern befürchteten schauder und ekel aus, sondern war eine art gesellschaftliches entschockierungsprogramm (ebd.). ihre srbeiten entstanden nicht, weil sie nach einer adäquaten darstellungsweise ihrer näheren umgebung suchten – das gegenteil ist der fall:

unser studio muß zunächst einmal penibelst aufgeräumt sein und klinische sauberkeit ausstrahlen, sonst können wir nicht abtauchen in diesen raum zwischen wachheit und traum. winzigste schmutzflecken stören unsere konzentration und werden vor arbeitsbeginn von den wänden radiert. dann beginnen wir, durch eine parallelwelt voller urin, kot und vergänglichkeit zu waten. wir beschreiten diese beiden entgegengesetzten wege gleichzeitig. sie bedingen einander. so wie wir auch selbst ständig zwischen verrücktheit und normalität hin- und herspringen. (ebd.).

das doppelt stigmatisierte künstlerduo (als künstler und als homosexuelle) verarbeitet schuld- und schamgefühle in seinen kunstwerken und visualisiert den anerzogenen ekel auf eine nicht impertinente weise, sondern zieht das bachtinsche lachen als eine befreiung von gesellschaftlichen und kulturellen zwängen ins künstlerische kalkül. nun arbeiteten die künstler zwar nicht direkt mit den beinahe lebensbedrohlich riechenden ‚naturrohstoffen’, sondern nur mit symbolischer darstellung; dennoch rücken sie zum beispiel mit ihren bildern flying shit, blood and piss, bloody and paint (alle von 1994) das schlecht riechende auf unbekümmerte weise wieder ins zentrum der elementaren lebenswirklichkeit, natürlichkeit und normalität.

gilbert & george: flying shit (1994).

die kunst greift hier das leben auf, dessen realien zwar weggedacht, aber nicht beseitigt oder bereinigt werden können. das ich bezieht und generiert sich in dem künstlerpaar aus einem sozialen gegenüber, das mindestens ebenso verletzbar, sterblich und instabil ist. in ihrer wirkkraft beruhen die bilder von gilbert & george wie so viele andere im 20. und 21. jahrhundert auf der geste der provokation durch archaik. in ihrerlLust am ekelhaften impliziert ihre kunst gleichzeitig die ironisierung ästhetischer elaborate, die fortwährend eklektisch schönheit, reinheit, geist, bildung, erbauung und ernst einfordern. aber lust und ekel würden dem leben in ihrer einseitigen ausschließlichkeit und auf dauer einen faden beigeschmack geben.

anders die installation cloaca des belgischen aktionskünstlers wim delvoye, die er in jahrelanger zusammenarbeit mit ärzten, ingenieuren und mikrobiologen baute. sie ist die erste künstlerische körpermaschine auf biochemischer basis (bexte 10). der körperautomat produziert nach täglichen zwei mahlzeiten, der nahrungszerkleinerung in einem mixer und in sechs linearen bioreaktoren mit menschlichen enzymen simulierte verdauungsprodukte mit realen biologischen ausscheidungen und verweist damit die leiblichkeit des künstlers in den produktionsbereich von wissenschaft und biotechnologie als theatrale ideen- und materiemaschine mit geist, aber ohne individuellen, dafür beliebig formbaren leib. die biotechnologische, artifizielle nachahmung von natur gedenkt zudem des barocken und avantgardistischen maschinenkults, realisiert und vervollkommnet ihn. bildoberflächenstrukturen verwandeln sich zur dreidimensionalität, womit die räumliche und prozessuale tiefenschicht von innereien bloßgelegt und perforiert wird.

wilm delvoye: cloaca (c) artnet.com

wim delvoye: cloaca (installationsansicht), (c) artnet.com

delvoyes installation spielt mit den diametralen ansichten von hochkultur und zu perversionen degradierten menschlichen lebensvorgängen. er reizt das performative im hinblick auf die theoretisch-ästhetische würdigung des konzepts und des prozesses aus, denn der kunstmarkt verlangt nach sichtbaren und dauerhaften werten, die ohne darmgrimmen einen ausdruck der auseinandersetzung des künstlers mit seinem objekt/abject verkäuflich und vorzeigbar machen. rabelais’ totenkopf zeigt im angesicht der installation sein schelmisches, renitentes und subversives grinsen.

wie etwa duchamp in dem mehrere monate auf glas sich ablagernden staub eine künstlerische struktur der materie in ästhetik verwandelte, spielt auch delvoye mit den kategorien natur/kunst, zufall/zerfall und den im medienzeitalter verschwimmenden traditionellen raumstrukturen von nähe und ferne.[2] aus der ferne betrachtet wirkt sein mosaik (dokumenta 1992) wie ein prachtvolles muster, bei der annäherung zerfällt es zu säuberlich angeordnetem kotdekor auf delfter fliesen. womit sich der biologisch-skatologische kreislauf zum Kkörpergeruch durch wahrnehmungs-verändernde (medien)techniken wieder schließt: visuelle schönheit aus der distanz, olfaktorisch widerwärtiges im nahbereich, der übergang vom lustspendenden in das ekelhafte bzw. dessen ambivalenter schwebezustand. delvoye modellierte ein zwiespältiges mischwesen, das mit den worten des ehemaligen us-präsidenten george w. bush als turd blossom,[3] also jaucheblume bezeichnet werden kann.


[1] gilbert & george: wir haben einen traum. in: die zeit, nr. 23 v. 02.06.2005, s. 86.

[2] daß delvoye die spielerische geste duchamps mit performanz ausreizt und seine kunst direkt mit dessen verweiskultur verknüpft, dem signieren außerästhetischer gegenstände (readymades), belegen nicht zuletzt die tätowierten middelheim pigs (1994 – 1997), von denen er eines nach duchamp marcel benannte und das dann wie dessen fontaine (ein wc-becken) auf bürokratischen umwegen, unter protest von tierschützern (bei duchamp waren es kunstkritiker), den einzug in den museumsstall fand.

[3] so pflegte bush seinen wichtigsten berater, karl rove, an üblen tagen zu titulieren. zit. n. kleine-brockhoff, thomas: bushs rammbock. in: die zeit, nr. 30 v. 21.07.2005, s. 2.

desodorisierung und disziplinierung

*** dieser text ist ein auszug aus meiner magisterarbeit „a rose is a rose is a rose (gertrude stein) – geruchskostüme in der kunst“ und als replik auf den spon-artikelforschung gegen achselschweiß: dufte ideegedacht, dessen autorin mal wieder jeglichen eigengeruch aus der welt verdammen möchte und sich dabei als pr-püppi der parfümhersteller geriert.

intensiver dufteinsatz lässt heutzutage ein relativ einförmiges geruchsmuster entstehen. ein langer entwicklungsprozess der hygienevorstellungen und die ausbreitung der parfumindustrie, technische neuerungen, die alle lebensbereiche veränderten, trugen nach alain corbin zu einem prozess der desodorisierung bei. er sieht den ursprung dafür in einer kollektiven hyperästhesie, die etwa in der mitte des 18. jahrhunderts mit der zunehmenden industrialisierung und urbanisierung aufgekommen sei. mit welcher sorglosigkeit parfum derzeit aufgetragen wird, zeigt deutlich, wie wenig die konsumenten eigentlich über die inhaltsstoffe der lockstoffe wissen. in der hoffnung und dem felsenfesten glauben, sich von einem als „animalisch“ geltenden eigengeruch zu befreien, überschütten sie sich mit tierischen, pflanzlichen und künstlich erzeugten moschusgerüchen, ähnlich denjenigen, die über menschlichen duftdrüsen abgesondert werden.[1]

parfums gehören zu jenen gerüchen, die gezielt hergestellt werden, um menschen mit wohlgeruch und schamlosigkeit zu umgeben. ein gelungenes parfum verführt daher durch eine mixtur aus unnatürlichkeit und menscheln. unter animalisch duftenden, erotisch anziehenden stoffen versteht parfumeur paul jellinek jene, „deren geruch an den unseres körpers beziehungsweise seiner ausscheidungen erinnert.“[2] somit begeht der moderne, attraktiv duftende mensch zwei nahezu widersinnige handlungen nacheinander: zuerst entledigt er sich mit hilfe von parfümierten reinigungsmitteln seines eigengeruchs, um ihn sich nach dem abtrocknen in abgewandelter form erneut aufzutragen. in anderen kulturkreisen gehen die menschen unbefangener mit sexuell stimulierenden gerüchen um. japanische männer etwa brauchen bloß kleingeld in einen automaten einzuwerfen, auf einen knopf drücken, sich zu einem schlitz bücken und schon halten sie den einmal getragenen slip einer unbekannten jungen dame in den händen, mit dem sie sich schnüffelnd in das reich ihrer sexuellen phantasien befördern. so eignen sich gerüche wie bilder als onanistische vorlagen. der deutsche normalriecher mit halbwissen würde das bereits als geruchsfetischismus oder perversion diskreditieren.

ein blick oder mehrere atemzüge in einer drogerie belegen illustrativ, daß der moderne, deutsche mensch nicht auf seine abstammung aus dem tierreich verzichten kann, sie aber partout verleugnen möchte. in entlegenen winkeln solcher läden lassen sich dann schließlich eine minimale anzahl geruchsneutraler deodorants, kristalle oder waschmittel ohne zusatz von parfum finden. aber auch das bietet keine lösung, denn wohlgeruch gehört zum wohlbefinden. der zwangscharakter des riechens ergibt sich aus der körpernatur – ohne atemluft kein überleben. vielmehr hängt die lösung des duftbombardements weiterhin von qualität und menge ab.

die erwartungen moderner konsumenten an ein parfum reichen längst über das ästhetische genußerlebnis hinaus. parfums sollen helfen, schlechte laune in gute umschlagen zu lassen und die überdrüssige geistesverfassung zu wechseln wie ein kleidungsstück. parfumeure versuchen bei duftkreationen den jeweiligen zeitgeist in einem flakon einzufangen, durch den verbraucher mit einer einzigen fingerbewegung ihre erscheinung absichtsvoll ergänzen und ändern können. sie hinterlassen dann duftspuren, die ihr körpereigenes duftwesen mehr oder weniger effektvoll verkleiden. eine dusche reicht aus, um den leib auf einen neuen duftkokon – vergleichbar einem kostümwechsel – vorzubereiten. bedurfte die hygienische disziplinierung einst fremdzwängen, moralischer vehikel und drohungen mit dem gestank verbrannten sünderfleisches in der hölle, so ist sie augenblicklich zum genußakt geworden, in dem sich lust und sinnlichkeit im wundersamen einvernehmen mit der tugend etabliert haben und nach außen demonstriert werden. noch mitte des 20. jahrhunderts verkörperte die einhaltung der sauberkeitsregeln hingegen eine willensschulung:

man kann beweisen, daß ein mensch, der sich selten wäscht, völlig gesund bleiben kann oder nur einige unbedeutende lokale beschwerden aufweist. jedoch läßt sich offensichtlich feststellen: 1. daß es eine soziale notwendigkeit ist, sauber zu sein, und sei es nur wegen des unangenehmen geruches und des anblicks, mit denen unsaubere menschen andere konfrontieren; 2. daß körperliche sauberkeit einen einfluß auf die psyche hat; 3. daß schließlich der tägliche zwang zur körperpflege eine disziplin erfordert, die der erziehung des willens zuträglich ist und für innere ausgeglichenheit sorgt.[3]

sauberkeit heißt heute für die masse: totale unterdrückung von eigengeruch. moralische reinheit bedeutet analog: diktatur des willens und des intellekts über die gefühle. beides bleibt illusorisch.  duftkonsumenten versprechen sich von wohlgerüchen für körper, wohn- und arbeitsraum – über lust – vergnügen herzustellen, den geist atmosphärisch auf entspannung, harmonie, sexualität einzustimmen. deswegen sprechen duftexperten mittlerweile von funktioneller parfumerie. insgesamt impliziert diese geruchsentwicklung parallel zur entstehung des okularzentrismus eine ähnliche funktionalisierung. somit erweist sich die these der minder zugerichteten „niederen sinne“ von kamper und wulf als aus der luft gegriffen.


[1] dazu zählen geruchsstoffe des moschusochsen, der zibetkatze oder ein bestandteil aus jasmin absolue (indol). vgl.: jellinek, j. stephan (1995): „der planet der parfums im sternbild der düfte“. in: das riechen. von nasen, düften und gestank. kunst- und ausstellungshalle der bundesrepublik deutschland gmbh (hrsg.). schriftenreihe forum, bd. 5. göttingen 1995, s. 125.

[2] jellinek, paul: praktikum des modernen parfumeurs. heidelberg 1960, s. 197f.

[3] sédaillon, p.; soher, r.: précis d’hygiene et d’épidémiologie. paris 1949, s. 155. zit. n. vigarello, s. 251.

sexuelle und religiöse ekstasen durch duftstoffe

für den urmenschen hatte der geruchssinn zunächst hauptsächlich eine überlebensfunktion. neben dem dienst für die ernährung warnte er vor naturkatastrophen oder wetterumschwüngen, wies auf wachstums- und verwesungsprozesse hin. über die körpergerüche ließen sich gruppenzugehörigkeit und paarungsbereitschaft bestimmen. aus diesem kontext treten erstmals gerüche hervor, die durch verbrennen entstehen, als der mensch feuer und rauch zu nutzen lernte und die sich insofern vom naturereignis als kulturtechnik unterscheiden. das feuer ermöglichte die gezielte herstellung von gerüchen und damit auch ihre intentionale verwendung.

in allen frühkulturen wurden wohlgerüche durch verbrennen balsamischer hölzer und harze für sakrale zwecke eingesetzt. zum himmel emporsteigender rauch und duft symbolisierten die verbindung zu den göttern und den seelen verstorbener, denn der geruch zeigt auch vergangenheit an. lange nach der realen existenz kann ein geruch im raum, im kleidungs- oder möbelstück haften und so auskunft über den oder das ehemals anwesende erteilen. weihrauch war und ist der heiße draht zum heiligen und in jener hinsicht eine art kommunikationsmittel. über die auswahl der duftstoffe konnten bereits einfache geruchscodes produziert werden. vom geruch des weihrauchs, der seit über 2000 jahren bei rituellen zeremonien eingesetzt wird, ist seine sinnesvernebelnde wirkung nachgewiesen. weihrauch besitzt die eigenart, die aufmerksamkeit in phantasiebereiche abdriften zu lassen. dies erreicht er im zusammenspiel mit dem luxuriösen pomp der kirchen und dem theatralen muster, dem eine messe folgt. schon die antike mythologie ging davon aus, dass es einen olympischen wohlgeruch (odor divinus) gibt. horst wenzel interpretierte dessen bedeutung folgendermaßen:

„wie sich die gottheit für menschliche augen und ohren in bild und wort, in licht und klang offenbart, so auch der menschlichen nase durch einen eigenen duft der heiligkeit. dieser entspricht dem duft des himmlischen paradieses und dem der reinheit jenseits aller sünde. geruch zeigt an, daß etwas scheinbar existiert. im vergleich zum hören dringt ein geruch tiefer und gehaltvoller in uns ein. duft ist im mittelalter ein attribut der herrschaft, ein statusindikator. dies wird eigentlich erst besonders deutlich, wenn man sich den gestank der bäuerlichen katen hinzudenkt.“ (wenzel, horst: hören und sehen, schrift und bild. kultur und gedächtnis im mittelalter, münchen 1995, s. 84).

die offenbarungen und hilfe von nefertum, dem ägyptischen duftgott, wurden nur gläubigen zuteil, die ihn mit duftenden rauchopfern anriefen. den imponierenden magisch-religiösen räucherkult übernahmen die griechen im 7. jahrhundert vor christus von den ägyptern. vor allem bei dionysischen riten kamen duftstoffe zu exzessivem einsatz, später dann bei den bacchusfesten in rom und den orgien des herodes.

wie aber kommt diese eigenartige verbindung von frömmigkeit und rausch, religion und orgie zustande? weihrauch besteht aus fünf grundsubstanzen: myrrhe, olibanum, laudanum, galbanum und styrax. das sind natürliche balsamartige harze, die unter biochemischen aspekten eine auffällige analogie zu den menschlichen hormonausdünstungen der achselhöhle, des atems und des urins aufweisen. auch der österreichische parfumeur paul jellinek bestätigte in versuchen die erogene wirkung der weihrauchbestandteile (vgl. watson, lyall: der duft der verführung. das unbewußte riechen und die macht der lockstoffe, frankfurt/main 2001, s 183f.). sowohl sexualhormone als auch weihrauchduft werden vom menschen auf unbewußter ebene im gefühlszentrum verarbeitet und wirken im jeweiligen kontext stimulierend und euphorisierend. gemeinschaftliche religiöse und geheiligte beglückung per weihrauch (per fumum) beruht demzufolge auf einer mimesis sexueller euphorie und präsentiert sich dennoch im gewand von jungfräulichkeit, reinheit und unschuld. der ursprung des parfums findet sich in magischen und religiösen praktiken, die als symbol von transformationen galten. in der folgezeit wurden die duftstoffe auch profanen zwecken zugeführt, zuerst in der medizin, dann auch im bereich der hygiene. duftstoffe galten in der antike als luxusgüter und ihre überreichliche anwendung war ausdruck von mammon und macht. bei festlichen veranstaltungen wurden körper, statuen, tempel, wohnräume, häuser und veranstaltungsorte mit düften geschmückt. die körperliche hygiene, das waschen, baden und parfümieren gewannen immer mehr an stellenwert. wohlgeruch war verbunden mit göttlicher abstammung, dem gestank dagegen haftete schon bald das dämonische an (fauvre, paul: magie der düfte. eine kulturgeschichte der wohlgerüche. von den pharaonen zu den römern, münchen 1993, s. 21ff.).

im griechenland der antike vertrieben wohlgerüche im profanen umgang ‚böse geister’, die als ursachen für krankheiten verstanden wurden. deshalb wurden verschiedene duftstoffe am ganzen körper verteilt, um den geruch des verfalls abzuwehren. nichtsdestotrotz erlangten die düfte nebenbei ästhetische und erotische funktionen. gesunder körper und gesunder geist wurden gleichgestellt, was sich auch am ausmaß von körperpflege, sportlicher betätigung und wertschätzung der nützlichen und schönen künste ablesen läßt.

die menschen der römischen antike lernten durch ihre feldzüge mit den kulturpraktiken von griechen und ägyptern kennen. in rom, das im 5. jahrhundert vor christus bereits eine million einwohner zählte, wurde einerseits zur huldigung der götter, andererseits aber sicher auch gegen den gestank überall in der stadt räucherwerk verbrannt. dem mörtel von götterstatuen mengten die bildhauer duftstoffe bei und salbten statuen mit aromatischen ölen. ob nun lampenöl, baustoff, speisen und getränke, alles erhielt duftende beigaben. selbst vor dem einsatz von duftstoffen bei öffentlichen veranstaltungen in den amphitheatern schreckte niemand zurück. mit rosenöl versetztes brunnenwasser verströmte vor den eingängen wohlgeruch. ein kanalisiertes duftsystem verteilte safran und andere duftstoffe in den besucherrängen. in mit sonnenbaldachinen überdachten amphitheatern saß das publikum und wurde mit rosenessenzen betröpfelt (ackermann, diane: die schöne macht der sinne. eine kulturgeschichte, münchen 1993, s. 34). gegen den gestank von mörderischem blut, angstschweiß und todesgeruch in den gladiatorenarenen wappneten sich die römischen bürger ebenso mit olfaktorischen rüstungen und schutzschildern der eigenen unverletzlichkeit im zuschauerraum. der römische dichter ovid schilderte im ersten buch der liebeskunst den geruchlichen wandel im theater. mit dem einzug der grausamkeit und der erotik erschien es notwendig, sich mit ästhetisch schönen duftstoffen den schrecken und die leibeslust vom leib zu halten:

„romulus, du hast zuerst unruhe gebracht in die spiele,
als der sabinerin raub ledigen männern gefiel.
samals spannten sich tücher noch nicht über marmortheater,
war mit safran noch nicht rötlich die bühne besprengt.
einfach gesträuch, welches wuchs im palatinischen bergwald,
stellte man hin: ohne kunst war so die bühne gebaut.
stufen waren aus rasen gemacht, dort setzte das volk sich,
laubwerk vom nächsten gebüsch schützte das struppige haar.“ (ovid, 1,101 – 108).

ovid nannte mehrere öffentliche orte, an denen sich gelegenheit zur einfädelung einer affäre böte. öffentlichkeit, die zu nähe und ‚zufälliger’ berührung geradezu einlud. nach seinen darstellungen nutzte die römische oberschicht vor allem theatervorstellungen und zirkusspiele zur kontaktaufnahme. die werbung verlagerte ovid aus einer ‚natürlichen’ scham der liebe heraus in den schutz der verborgenheit. alle mittel (z.b. kosmetik und duftstoffe), die angeborene schwächen maskieren, um einen elementaren liebesgenuß erleben zu lassen, hieß er willkommen. seine ars amatoria ist eine ästhetik der liebe, die vor dem hintergrund der ehegesetze von augustus zur stabilisierung der zweckehe einen schroffen gegenentwurf bildete. in ihr zeigt sich der damals offene widerspruch zwischen fremdzwang und realität: menschen, die sich durch ehegesetze nicht gängeln ließen und weiterhin offen dem (duft)luxus und einem lockeren liebesleben frönten.

auch im goldenen haus (domus aurea) von kaiser nero existierte eine duftanlage. nach berichten des historikers sueton sollen die speiseräume mit elfenbeinplatten getäfelt gewesen sein, die sich für einen blumenregen und zum ausströmen von düften öffnen ließen. eine gleichermaßen imposante anlage stellten die caraculla-thermen in rom dar, die um 216 eröffnet wurden. neben zahlreichen baderäumen gab es turn- und ruheräume, lehrsäle, büchereien, museen, gärten und wandelhallen (pfriemer, udo: bedürftig friedemann: aus erster quelle… eine sanitärchronik vom ursprung bis zum beginn des 20. Jahrhunderts, hansgrohe schriftenreihe, bd. 3, leiben 2001, s. 142). hier mischen sich geist und muße aufs innigste, was besonders unter berücksichtigung der gegenwärtigen trennung von arbeitswelt und vergnügen auffällt.

magie, geheimnis und geruch scheinen dauerhaft und untrennbar verbunden. die sprache bietet nur begrenzte möglichkeiten, über gerüche zu kommunizieren. darum müssen metaphern über diesen mangel hinweghelfen. als wahrscheinlich stammesgeschichtlich ältester sinn beeinflußt der geruchssinn das menschliche verhalten auf einer nonverbalen ebene zunächst rein gefühlsmäßig.[1] so besteht auch das entscheidende manko von parfumwerbung darin, geruch bisher nur über assoziative bilder und parfumnamen vermitteln zu können. anziehende gerüche, mit einer ausziehenden wirkung – denn mittler des wohlgeruchs blühen vor erotischen blicken, ideal geformten und sonnengebräunten körpern; mit romantischen und verführerischen melodien gemixt, versucht die werbebranche den zuschauer anzulocken und verheißt heiße, unvergessliche, erotische abenteuer unter palmen und anderswo. aus zeitschriften wehen liebestrunkene parfumwolken, die durch eine onanistische handlung – rubbeln wie beim glückslos – zur vollen entfaltung gebracht werden können. düfte werden in der handelsindustrie gerade wegen ihres unmittelbaren zugangs zum emotionalen unterbewußtsein eingesetzt, um das kaufverhalten positiv zu beeinflussen. duftmarketing bildet hier ein weiteres zauberwort für eine sublime art der manipulation, da sich gerüche der bewußten kontrolle durch den menschen hartnäckig verweigern.[2]

spätestens seit dem 15. jahrhundert besteht ein ganzer industriezweig, der sich anregenden duftstoffen widmet: die parfumerie. kleopatra sagt man nach, sie habe in milch gebadet und ihren körper mit duftenden pflanzenölen bereits zu lebzeiten einbalsamiert, um ihre natürlichen weiblichen reize zu unterstreichen. napoleon dagegen soll seiner frau briefe vom schlachtfeld geschrieben haben, in denen er sie aufforderte, sich kurz vor seiner ankunft nicht mehr zu waschen – wohl um sich von ihren natürlichen sexuallockstoffen überwältigen zu lassen.

nur noch rudimente des wissens um tödliche und heilende kräfte von gerüchen existieren heute – abgesehen von der wissenschaftlich kaum anerkannten aromatherapie, wie sie bis ins 19. jahrhundert hinein weit verbreitet war. bis dahin wurden enge beziehungen zwischen geruch und tod vermutet, was sich minutiös anhand der medizingeschichte der pest nachvollziehen lässt.[3] die ärztliche behandlung spricht bände davon, daß gerüche als unmittelbare krankheitserreger und -überträger aufgefaßt worden sind. entsprechend sah die therapie aus: räucherungen mit salbei, kamille und ähnlichen ingredienzien. in der antike ist die macht der duftstoffe unter anderem auf die mysteriöse herkunft der aromastoffe zurückzuführen. die arten der aromastoffe sowie die orte und bedingungen ihrer gewinnung waren nur wenigen bekannt und wurden oft dem reich gottes zugeschrieben. duftstoffe besitzen also eigenschaften, die sie mit dem übernatürlichen, dem heiligen verbinden. in zeitgenössischen werbespots kommt die bekämpfung des gestanks mit duftstoffen umgekehrt einer art teufelsaustreibung gleich. in wellnessoasen wird der streßteufel der arbeit mit entspannenden duftmassagen, bädern, tinkturen ausgetrieben – ein luxustrend mit duften zukunftsperspektiven.


[1] ein hinweis dafür könnte folgende beobachtung sein: „menschliche kinder lernen in den ersten tagen, menschen anhand ihrer gerüche zu erkennen; in den folgenden wochen lernen sie, einzelne menschen am klang ihrer stimmen zu unterscheiden, und erst mehrere monate später fangen sie an, gesichter zuverlässig durch den gesichtssinn zu erkennen. sehr wahrscheinlich erlernen wir verschiedene methoden, alle diese bestimmungen vorzunehmen, und es ist kein zufall, daß sich diese fähigkeiten in einer ihrer zunehmendenkKomplexität entsprechenden folge entwickeln.“ vgl.: minsky, marvin: mentopolis. stuttgart 1990, s. 314.

[2] vgl.: grossenbacher, b.: suftmarketingseminar. (http://www.grorymab.com/duft_seminar.htm).

[3] ausführlich behandeln le guérer und corbin die kulturgeschichte des geruches und die medizingeschichte der pest.

*** dieser text ist ein auszug aus meiner magisterarbeit a rose is a rose is a rose (gertrude stein) – geruchskostüme in der kunst.

*** dieser text ist ein auszug aus meiner magisterarbeit a rose is a rose is a rose (gertrude stein) – geruchskostüme in der kunst.

imagination – gerüche in der literatur

genuß und leidenschaft bilden den ausgangspunkt zahlreicher literarischer auseinandersetzungen über den geruch, so zum beispiel marcel prousts roman auf der suche nach der verlorenen zeit oder die gedichte des synästhetikers charles baudelaire in dem sammelband die blumen des bösen.[1] baudelaires gedicht das haar schildert die macht der gerüche über leidenschaftliche erinnerungen und läßt sie in der gegenwart wiederauferstehen:

lang – immer! – wird die hand in deiner locken masche
die perle säen, den rubin und den saphir,
damit du nicht entflöhst, wenn dich mein dehnen hasche!
bist du nicht die oase, wo ich träume, und die flasche
aus der erinnerns wein ich schlürfe heißer gier? (baudelaire 41f.)

in diesen versen zeigen sich duftende erinnerungen als persönliche, obsessive bildmaschine im gedächtnis und bieten ein schauspiel der leibbiographie, verloren geglaubter momente. sie kennen keine chronologische ordnung, verfliegen ebenso schnell, wie sie in die nase aufstiegen. gerüche sind demnach andauernd und dauerhaft, gleichsam vergänglich und leiten gelegentlich in ein erinnerungslabyrinth. sie changieren in ihren nuancen, sie sind bald hier, bald da: es ist etwas überraschendes am geruch, was eine empfindung für zwischenräume ermöglicht, wie ein horizont, eine linie, wo geruch und phantasie auf der entferntesten grenze des duftes aufeinander treffen. gerüche vermitteln behaglichkeit, geborgenheit, verlust, begehren, schmerz und erinnern an die vergänglichkeit menschlichen lebens. diese ambivalenz der olfaktorischen wahrnehmung wird in patrick süskinds roman das parfüm geprägt. zu einem wohlgeruch gesellen sich im selben atemzug immer gestank und widerwillen.

für einen moment war er so verwirrt, daß er tatsächlich dachte, er habe noch nie etwas so schönes gesehen wie dieses mädchen. dabei sah er nur ihre silhouette von hinten gegen die kerze. er meinte natürlich, er habe noch nie etwas so schönes gerochen… üblicherweise rochen menschen nichtssagend oder mirserabel. kinder rochen fad, männer urinös, nach scharfem schweiß und käse, frauen nach ranzigem fett und verderbendem fisch. durchaus uninteressant, abstoßend rochen die menschen. und so geschah es, daß grenouille zum ersten mal in seinem leben seiner nase nicht traute und die augen zuhilfe nehmen mußte, um zu glauben, was er roch. (süskind 26)

offensichtlich scheint der geruchssinn in der medialen vermittlung unabänderlich mit dem mangel an anderen sinnen verbunden zu sein: grenouille selbst ist bar jeder körperlichen ausdünstung, verfügt dennoch über einen außerordentlich geschärften und analytischen geruchssinn und scheint nur deshalb auf die komposition eines eigenen körpergeruches fixiert. er vertraut seinem geruchssinn mehr als dem gesehenen. nur selten benutzt er seine augen, um sich seiner umwelt zu vergewissern. als er schließlich den perfekten eigengeruch kreiert hatte, um seine mitmenschen in unterwürfige, anhimmelnde, willenlose kreaturen zu verwandeln, wurde er von der selbst ausgelösten wirkung der hemmungslosigkeit und des begehrens überwältigt. er erschien als duftender engel, als lichtgestalt, der die tobende masse nur durch seine leibzerstückelung teilhaftig zu werden glaubte und durchlebte seine leibbiographie als entwicklung vom liebesboten zum todesengel.

süskinds roman kann als auseinandersetzung mit den wahrnehmungsmöglichkeiten der gesellschaft gelesen werden. es wird klar, daß der duftverliebte grenouille im gegensatz zur visuell geprägten mehrheit eine außenseiterrolle einnimmt. süskind versuchte, dem geruchssinn einen höheren stellenwert innerhalb der sinneshierarchie einzuräumen, ohne die gefahren einer hypersensibilisierung außer betracht zu lassen. allerdings spielte der geruchssinn bei süskind nur eine sexuelle, ekstatische sowie räumlich-orientierende rolle und ist ein sonst anästhetischer nahsinn. im vergleich zu allen anderen sinnen scheint der geruchssinn in westlichen kulturen nach wie vor unterbewertet. für diese sinne existieren schon lange kulturelle einrichtungen wie galerien, museen, theater, konzertsäle, restaurants oder auch massagestudios und fitnesscenter. erst im jahr 1998 wurde in berlin-weißensee wieder ein duft- und tastgarten eröffnet, der explizit für blinde konzipiert war. klaus barth dagegen betont die bedeutung von synästhesie. er richtete 1994 in der bonner kunst- und ausstellungshalle den ersten duftgarten für die ‚geruchsblinde’ bevölkerung ein. der bewusste gebrauch des geruchssinnes am gesamten, synästhetischen wahrnehmungsprozess kann als bereicherung aufgefasst werden (barth 137).

mit seinem vermeintlichen plattitüden in dem theaterroman eindrücke aus afrika (impressions d’afrique) schockierte raymond roussel 1910 französische leser, und in den folgenden zwei jahren löste seine bühnenfassung beim pariser publikum befremden aus. er zog die konstruktion von wirklichkeit der realität vor und verließ während seiner reisen nur selten sein neun meter langes rollendes haus, sondern begnügte sich mit den ausgeburten seiner phantasie. die feierlichkeiten zur krönung des königs sollen mit einem theaterfest auf dem platz der trophäen begangen werden. in einem flüchtigen zwischenakt mit dem titel das echo des arghyros-waldes sendet constantin canaris den duft der beschworenen blumen hinterließ roussel das publikum in der berauschenden wirkung verschiedener blumen- und kräutergerüche (roussel 70). er experimentierte folglich mit den differenzierten kommunikationsebenen von sprache und gerüchen. erst beim echo des wortes rose drang der duft in die nasen. zuerst wartete er also die assoziationen des lauschenden publikums ab, um dann dem geruchssinn eine erneute bedeutungszuweisung zu ermöglichen. vermutlich wollte roussel hiermit den verstörenden einfluß von sprache auf empfindungen darstellen, ein interaktionsfeld, das ziemlich viele bedeutungsebenen gestattet und der phantasie keine schranken vorgibt.

was aldous huxley 1932 in seinem roman schöne neue welt als utopie beschrieb, wurde kurz darauf von der illusionsmaschine kino aufgegriffen: die protagonisten lenina und henry besuchen berlins größte duft- und farbenorgel. allerneueste synthetische kondensmusik unter den linden (huxley 77).  signifikant wirkt selbst in diesem buch die verbindung von gerüchen und glücksgefühlen. während sex zum zweck der fortpflanzung nur noch als eine primitive randerscheinung zwischen wilden praktiziert wird, versucht ein totalitäres regime den rest der kultivierten bevölkerung durch tabletten für euphorie und verhütungsschutz, dauerberrieselung (schlafschulunterricht) und beduftung in einem zustand der hörigkeit verharren zu lassen. es gibt lustvolle melodien, untermalt von sexofonen, farborgeln projizieren sonnenuntergänge an die domkuppel. lenina und henry waren in eine andere welt entrückt, in die durchglühte, farbenfrohe, unendlich freundlichere welt des somarausches. wie nett, wie schön und hinreißend unterhaltsam alle menschen zu sein schienen. (huxley 78).

dieses ganzkörperkino oder fühlkino verschafft ein erleben des films mit allen sinnen. der duft übernimmt eine exponierte stellung im kinoerlebnis: in der filmankündigung wird er als das originelle akzentuiert. neben der kinoorgel, die zahlreiche orchesterinstrumente und geräusche imitieren konnte, ermöglichte die duftorgel eine olfaktorische echtzeiterfahrung. luftgefüllte sessel paßten sich den körpern der kinobesucher an, die mit augen, ohren und ihrer nase an einer vollständig simulierten sinnenwelt teilhaben konnten. huxley selbst akzentuierte im vorwort, daß es ihm nicht um die darstellung eines totalitären regimes ging, das seine herrschaft mittels knüppel und exekutionskommandos, mittels künstlicher hungersnöte, massenverhaftungen und massendeportationen durchsetzt, sondern um sanfte kontrolle der sklaven ohne zwangscharakter durch methoden der suggestion (huxley 15). dazu eignen sich gerüche offenbar besonders gut. die normierung von menschen, wie sie sich im roman entblättert, zeigt sich nicht nur als technische, sondern als biotechnologische revolution. vielmehr macht sie nicht halt vor gefühlen und körpern der menschen, deren selbstbestimmungsrecht alleine darin liegt, glücklich zu sein. eine wahlmöglichkeit besteht nur zwischen technikwahn und bewußter wahrnehmung, die an vernunftgründe gekoppelt ist.

mit jedem atemzug projiziert der mensch ein abbild der umwelt in sein gehirn, ohne es zu ahnen. der geruch ist die einzige vitale wahrnehmung, der sich ein subjekt nicht verschließen kann, ohne zu ersticken. anders beim sehen und hören: augen können geschlossen, ohren zugehalten werden, um widerwärtigen bildern und geräuschen zu entfliehen. vielleicht besteht gerade darin die überlegenheit der geruchsempfindungen, daß sie vor einer analytischen zergliederung relativ geschützt sind. deswegen wirken sie als zeichen, die ganz für das individuum bestimmt sind. das fehlen der gerüche im semantischen feld und ihre besonderen relationen zum gedächtnis sind aber gründe jener kraft, die sie zu symbolen schlechthin macht. evokatorische und suggestive eigenschaften müssen überdies zu den sofortigen und extremen reaktionen auf gerüche in bezug gesetzt werden.

in vielen romanen nehmen geruchsschilderungen im gegensatz zu den anderen kunstbereichen einen ausnahmsweise breiten raum ein, was schlicht und ergreifend auch an ihren metaphorischen möglichkeiten liegt. wenn sich aber – wie beispielsweise im falle duchamps – der künstler als ein medium versteht, mag darin dessen subtile wahrnehmungsweise münden. imagination und intuition, zufall und traum, realität und künstlerische wirklichkeit sind die stoffe, die ein künstler inhaliert wie gerüche, die eng an phantasie und kreativität gebunden scheinen.

in welchem olfaktorischen rahmen vollzieht sich nun aber das lesen? klassische orte des lesens sind für alle wissenschaftlich arbeitenden bibliothek oder wohnung. die eigene wohnung ist der sicherste raum in bezug auf den ausschluß ungewollter gerüche. das heißt zugleich, die wohnung ist geruchlich relativ eintönig und ihr bewohner an ihre gerüche habitualisiert. er nimmt sie unbewußt  wahr oder ignoriert sie gar. verändert wird der geruch etwa durch eine tasse kaffee, die auf dem arbeitstisch platziert mit ihrem anregenden aroma kurzzeitig für angenehme konzentrationsschwäche sorgt. der effekt hält nur etwa zwei minuten an, danach setzt adaption ein. in einer bibliothek sind die olfaktorischen reize bereits wesentlich zahlreicher. an die des tischnachbarn und des geöffneten buches gewöhnt sich der leser rasch, die der vorbeihuschenden menschen bieten dagegen manchmal ablenkung. zwar ist die nase auf das buch gerichtet, orientiert sich aber weiterhin im raum. hat der vorbeieilende einen angenehmen geruch, folgt eventuell eine prüfung mit den augen und der text rückt in die ferne. war der geruch unangenehm, fällt die konzentration ebenso schwer, die atmung wird flacher, um sich das schlechte vom leib zu halten. manche verlassen vielleicht sogar angewidert den lesesaal. im leipziger park wird der lesende von mai bis ende juni von einem penetranten bärlauchgeruch umweht. danach folgen gleich die lindenblütendüfte. der geruch ist durch die windbewegung wesentlich länger präsent bzw. wird immer wieder neu an die riechzellen herangetragen, kann also das denken und die gefühle erheblich wirkungsvoller beschäftigen. demzufolge beeinflussen vor allem  neue und fremde gerüche das denken, indem sie es unterbrechen, in andere bahnen lenken, es eventuell sogar still stellen. riechen wird im außenkontakt zur zwangswahrnehmung, in der einsamkeit zu einer frage von gewöhnung oder lustvoller olfaktorischer selbst- und rauminszenierung.


[1] sehr ausführlich behandeln die literaturgeschichte des riechens hans j. rindisbacher the smell of books: a cultural-historical study of olfactory perception in literature (michigan 1992) und winfried menninghaus’ ekel in den kapiteln über franz kafka und jean-paul sartre den zusammenhang von ekel und geruch.

*** dieser text ist ein auszug aus meiner magisterarbeit a rose is a rose is a rose (gertrude stein) – geruchskostüme in der kunst.

patchoulipolizei

wolken

je dunkler die wolken über leipzig am pfingstwochenende, um so farbenprächtiger zeigte sich das partyvolk des wave-gotik-treffens (wgt 2009). möchte der ortsfremde meinen, es handle sich um eine ansammlung von vorwiegend in trauerfarben gekleideten menschen, irrt er. die schwarze szene ist bunt, und selbst für außenstehende wie mich sind die unterschiede recht deutlich. nur kann ich diese nicht zwangsläufig irgendwelchen schubladen zuordnen, die da reichen von goth, elektrofolk, neofolk, bdsm- und anderen fetischen, punk, metall, cyborg, mittelalter bis hin zu visual kei. in der vielzahl der verkleidungen changiert das zwischen christopher street day und love parade. schwarz dominiert deutlich, dominanz führt devot an ketten spazieren, schwarz trifft auf neon, spitze auf latex, leinen auf pelz, corsagen auf netzstrumpfhosen und strapse, mönchskutte auf sensenmann. mittendrin viele neugierige oder schockierte gaffer in jeans, t-shirt und turnschuhen. knipsen, posen, betont gelangweilt dreinschauen, obzwar die grusel/show beiderseits genossen wird.

leipziger müssen gar nichts sehen können, um zu wissen, welches ereignis gerade zelebriert wird. es ist meilenweit zu riechen. es ist nicht ein hauch von patchouli, es sind wahre duftschwaden, die sich in die regenfeuchte luft mischen, die von der sonne in bedrohliche atemnot gegrillt werden, die unter latex, pelz, gummi, leder, kunststoffspitzen und schwerem samt hartnäckig mit bakterien vermischt der zersetzung anheimfallen. da wünscht sich die geplagte nase gerne eine patchoulipolizei, die alle parfumflakons bei der ankunft beschlagnahmt und am einlaß lediglich tropfenweise wieder kontrolliert abgibt. vieles wird einfach zu dick aufgetragen, um aufzufallen. anämisches weiß im gesicht, bunte röhren auf dem kopf, gestalten zwischen anorexie (sensenmann) und adipositas (rubensromantik).

sensenmann1tja, und selbst der tod benutzt heute moderne kommunikationsmittel und klopft nicht mehr einfach nur unangemeldet an der tür, um seine nächsten opfer zu wählen. per handy beauftragt er es, den inhalt der patchouliflasche am ganzen köper zu verteilen, sich dem schweren, muffig-süßlichen duft hinzugeben und auf  sein erscheinen zu warten, um es von den höllenqualen des langsamen erstickungstodes zu erlösen.

ohne nase zuklammern und näselndes sprechen konnte man sich dem fremden zauber nicht nähern. der wind war des todes eilfertiger bruder und hat es eifrig in meine nasenlöcher geblasen, sobald die luft knapp wurde. röööchel, japs. ich habe überlebt, es bedurfte aber eine intensivmedizinischen nasendusche und literweise sauerstoffzufuhr.

zimmerso unaufgeschlossen meine duftempfänger auch sein mögen, die leipziger sind nach wie vor freundliche gastgeber. ganz im stil des mittelalters verfaßte dieser vermieter ein angebot zur übernachtung. die ränder des papiers sind stilecht mit brandrändern versehen worden. für das eher zeitaufwendige styling der meisten gäste ist ein eigenes zimmer freilich gold wert. andererseits ist man dann weit entfernt vom laufsteg auf der agra, einer zeltstadt auf dem festivalgelände.

abgesehen davon hatten zahlreiche geschäfte in der innenstadt und den szenevierteln schwarze fetischdekorationen im schaufenster aufgehäuft. und so verwundert es nicht, wenn vermutlich kunststudenten vor dem museum der bildenden künste in der katharinenstraße an einem bauzaun schwarze müllsäcke drapiert haben, was sowohl aus ferne und nähe stark an latex erinnert. auf einem kleinen weißen schild neben dem luftballon war mit hand das wort ‚garderobe‘ geschrieben worden. eine pittoreske persiflage… ähnlich schlaff im wind baumelnd müssen sich die herrschaften in den stiefeln mit gefühlten drei kilometer hohen absätzen abends irgendwo fallen gelassen haben. schon vom zusehen, wie sie ihre füße matt-vorsichtig voreinander setzten, ohne stützende begleitung keinen meter alleine über das kopfsteinpflaster laufen konnten, verspürte ich phantomschmerzen an allen körperteilen beckenabwärts.

muelltueten4

irokesedie frisur links im bild scheint eine mischung aus irokese (punk) und narrenkappe. die beiden im vordergrund stützten ihr mit ketten und schnallen beschwertes schwarzgewandetes körpergewicht auf wanderstöcke mit totenköpfen.

meditation

bunt gekleidete zaungäste. gucken, reden, meditieren, sonne genießen vor der moritzbastei beim wgt.

military

von der rolltreppe auf die welt hinabschauen: zwischen militär- und schuluniform präsentieren sich diese schnallen lasziv den hinaufrollenden.

mittelalter

da wartet der mönch vermutlich vergeblich auf bekehrung.

punk

punks im leipziger kopfbahnhofsprunk.

wgt3

röhren auf dem kopf, die wie raupen aussehen, corsagen im rücken. aus erfahrung kann ich sagen, daß dreadlocks wesentlich pflegeintensiver sind, weiß aber nichts über die hohlraumgestaltung unter diesen schläuchen.

wgt

romantiker kämpfen mit dem großstadtverkehr. welche stahlkutsche darf es denn sein?

alles in allem eine illustre gesellschaft, in die ich mich jederzeit wieder gern begebe (bis auf den einen herrn in wehrmachtsuniform mit eisernem kreuz als gürtelschnalle – diese ‚provokation‘ halte ich nach wie vor für verfassungsfeindlich und am sichersten in einem museum untergebracht).

schöne neue konsumwelt – manipulation durch duftstoffe

auszug aus meiner magisterarbeit ‚a rose is a rose is a rose (gertrude stein) – geruchskostüme in der kunst‘

1999 etablierte sich an der hochschule für kunst und gestaltung burg giebichenstein in halle der bundesweit erste studiengang multisensuelles design, der sich forschungen in den bereichen akustik- und olfaktorikdesign in zusammenhang mit traditionell visueller gestaltung zur ganzheitlichen gestaltung von synästhetischen atmosphären widmet. in seinem sachbericht ‚modellversuch im hochschulbereich multisensuelles design’ rechtfertigt der dozent und initiator des projekts, peter luckner, gleich in der einleitung die experimentelle praxisforschung:

‚als kern des problems gilt hier die kritische handhabung der objektiv gegebenen maßlosigkeit der gesellschafts- bzw. marktbedürfnisse und deren fesselung in qualitativ und quantitativ maßvollen, zudem methodisch und hierarchisch disziplinierten briefings. typisch für diesen problemzusammenhang sind anfragen der medien in der art: steigern sie mit dem olfaktorischen design nicht den konsumtionsdruck noch mehr… freiheit der lehre, raum für das experiment, möglichkeit für trail and error sind abzugleichen mit den gesetzlichkeiten der leistungsentfaltung, mit unabhängigkeit und bewegungs- und entwicklungsraum der studierenden, mit beschleunigter befähigung zu austauschbeziehungen.‘

erklärtes ziel ist die digitalisierung und synchronisierung von gerüchen, klängen und bildern zur ‚ästhetischen bildung‚ mit hilfe von künstlichen atmosphären, welche die wahrnehmungen für gesellschaftliche beziehungen und entwickelte urteilskraft in einem 3d-computerprogramm schulen sollen und als reaktion auf die privilegierung des sehsinnes mittels technologie auf die komplexität der umweltwahrnehmung verstanden sein will. abgesehen von dem amerikanischen neurobiologen walter j. freeman kooperieren aber vornehmlich bereits jetzt vom duftmarketing profitierende unternehmen mit dem projekt: u.a. die entwickler des so genannten sniffman für geruchskino – technologie ruetz münchen, daimlerchrysler (deren statusauto mercedes bereits mit luxusduft imprägniert wird) sowie das chemieunternehmen haarmann & reimer aus holzminden. fragwürdig erscheint außerdem der studienaufbau, der mit sinnlichkeitsforschung in der medienära beginnt und erst im letzten semester des grundstudiums grundlagenforschung des riechvorgangs in einem einzigen kurs betreibt. nach einem kurzpraktikum gehen die studenten im hauptstudium dann zur marktforschung über, bei dem der naturkontext einen verlorenen posten bildet. bei der schwäbischen kehrwoche können sich mieter mittlerweile das ausspülen der mülltonnen sparen und diese stattdessen mit mülltonnen-deo parfümieren. bereits 2001 waren über 10.000 hotels und geschäfte in deutschland mit duftsäulen des herstellers voitini ausgestattet.

die branche hält sich jedoch bedeckt, was die wirkung des geruchseinsatzes betrifft. gegen die parfümierung von gebäuden in überkonzentration wendet sich aromawissenschaftlerin diotima von kempski. ihre theorie, einen duft nur in minimalkonzentration, also unterhalb der wahrnehmungsschwelle auszuströmen, entstand in den 1980er jahren nach der entdeckung des sogenannten sick-building-syndroms. bei der ursachenforschung über symptome wie kopfschmerzen, tränenfluß und kreislaufprobleme wurde klar, daß nicht nur schadstoffe gebäude verpesten, sondern sich auch einige ätherische öle negativ auf das verhalten und die psyche von menschen auswirken, ja sogar unlustgefühle provozierten. dufteinsatz unterhalb der bewußten wahrnehmung ist dahingehend konzipiert, beim menschen unbestimmte gefühle der behaglichkeit zu evozieren, die verweildauer im raum und die kaufbereitschaft auszudehnen. stimmungsdüfte bestimmen denn auch die atmosphäre in den öffentlichen räumen, die sich nicht an individuellen, differierenden duftvorlieben orientieren, sondern einzig an deren psychischer, harmonisierender wirkung. grossenbacher spricht in seinem duftmarketingseminar dagegen unverblümt von manipulation der gefühlswelt und stimulation von konsumenten:

‚die kunst der ‚unterschwelligen beeinflussung’ ist die fähigkeit, grundlegende verhaltensweisen anderer menschen auszunutzen, ohne daß diese sich des eingriffs bewußt werden und daher glauben, aus überzeugung und eigenem antrieb zu handeln. zweck einer solchen beeinflussung ist, sich dadurch persönliche vorteile zu verschaffen, daß andere, ohne es zu wissen oder zu wollen, zu einem bestimmten verhalten veranlaßt werden. mit den vielen namen (werbung, reklame, marketing, pr-aktion, forwarding, consulting, direct mail usw.), die dieser art beeinflussung gegeben wurden, kann man sie getrost als die magie unseres ausklingenden jahrhunderts bezeichnen. auch die okkulten riten und bräuche vergangener zeiten dienten letztlich keinem anderen ziel, als die mitmenschen auf die ureigene linie des ausübenden einzuschwören, wenn auch damals nicht unbedingt die finanziellen interessen einer kaufhauskette hinter den bestrebungen gestanden haben mögen. lediglich die neubestimmung der götzen ist eine leistung unserer heutigen gesellschaft‘.

zitronenduft und lavendel vermitteln immer das gefühl von sauberkeit und steigern die aufmerksamkeit. synthetisch hergestellter tannennadelduft des badezusatzes suggeriert eine ökologische, naturnahe lebensweise. und so ist eine der wenigen kritischen fragen, die sich grossenbacher stellt, die nach dem grad der denaturierung des zivilisierten menschen. will der göttergatte das taschengeld wegen kaufrauschs kürzen, argumentiert frau von welt ganz simpel und ernstlich empört: beduftete damenboutiquen fördern impulskäufe. indes müßte sich der so genarrte an die konsumtempelbetreiber wenden. verschiedene duftstoffe haben unterschiedliche wirkungen und eignen sich deshalb für vielfältige einsatzbereiche. so wirkt vanille etwa beruhigend, orange und mandarine dagegen lieblich-frisch, zitrusartige konzentrationssteigernd, zimt- und nelkenöl antiseptisch, rose und jasmin edel.

das wissen um den dufteinsatz und die emotionale kaufsteuerung sollten den heutigen konsumenten viel reservierter beim kauf machen, jedoch im intentionalen duftgemisch haben vernunftgründe nur eine geringe chance. geschäfte, die solche verkaufsfördernden methoden anwenden, müßten zudem per verbraucherschutzgesetz verpflichtet werden, ihren laden als duftbombe zu kennzeichnen, wie ja gentechnisch veränderte lebensmittel und synthetische aroma- und konservierungsstoffe auch einer kennzeichnungspflicht unterliegen.

der mensch als parfümierter affe

riechen als dualismus

auszug aus meiner magisterarbeit ‚rose is a rose is a rose‘ (gertrude stein) – geruchskostüme in der kunst

das deutsche wort nase geht zurück auf die begriffe naris aus dem lateinischen und dem altindischen nasa. letzteres ist ein dualwort und beinhaltet zwei wesen oder verbformen für zwei zusammengehörige tätigkeiten und vorgänge, nämlich das atmen und das riechen. die wörtliche übersetzung lautet korrekt ‚die beiden nasenlöcher‘. die singuläre verwendung des wortes naris meint soviel wie nase, nasenloch, nüster, erst aus der pluralform ergibt sich die verbindung zu dieser duplizität, die sich dann in der bedeutung von nase und nüstern zeigt. im weiteren sinn wird das wort aber auch in der konnotation feine nase, scharfsinn, feines urteil verwendet.

daß jäger und sammler ihre nahrungsquellen einerseits aus beobachtung von tieren, andererseits aber auch durch eigene geruchs- und geschmacksproben erschlossen haben, verweist auf den ursprung des wortes als ausdruck einer feineren geruchswahrnehmung. immer wieder kann im supermarkt oder auf dem wochenmarkt beobachtet werden, wie menschen an obst und gemüse schnuppern, um reifegrad und qualität zu beurteilen. der Kern dieses rituals dürfte auch darin zu sehen sein, daß sie nach wie vor prüfen, ob etwas eßbar oder ungenießbar ist.

tatsächlich fand der kalifornische wissenschaftler noam sobel von der stanford university in palo alto heraus, daß die luftzufuhr in beiden nasenlöchern unterschiedlich stark ist und sich die nasenlöcher bei der aktivität abwechseln. er vermutet als ursache für die entschlüsselung der erstaunlich vielfältigen geruchlichen umgebung die differenzierten strömungsgeschwindigkeiten der luft in beiden nasenlöchern. wenn ein geruch aufgenommen wird, passiert er zunächst die nasenschleimhaut, wo er an geruchsrezeptoren vorbei schwebt. die riechzellen saugen die duftmoleküle regelrecht auf und vermitteln erst dann eine geruchswahrnehmung. feinere duftmischungen kann ein mensch nur bei äußerster konzentration und viel training decodieren. ein parfumeur verwendet etwa 3000 synthetische duftstoffe und 150 natürliche ätherische öle. das übersteige, wie der parfumeur günther ohloff im buch ‚irdische düfte – himmlische lust‘ schildert, die speichermöglichkeit des gedächtnisses. deswegen wird seit 1997 in paris ein atlas der duftstoffe erstellt.

bei den beobachtungen über die funktionsweise beider nasenlöcher stellte noam sobel fest, daß düfte nicht nur unterschiedliche eigenschaften besitzen, sondern einige für die nasenschleimhaut besser zu verarbeiten seien. die Intensität ihrer wahrnehmung nehme zu, je schneller sie an den geruchsrezeptoren vorüber flögen. im langsameren nasenloch hingegen könne ihre volle Wirkung kaum entfaltet werden, weil sie dort schon von den ersten rezeptoren vollständig geschluckt würden. entscheidend für die entstehung einer geruchswahrnehmung scheint daher zu sein, mit welcher geschwindigkeit sie im oberen nasenbereich auf die riechrezeptoren trifft.

konträr zur aufnahme angenehmer gerüche, würden ‚gestanksmoleküle’ eher widerwillig auf die nasenschleimhaut treffen. wenn unangenehme gerüche die nase langsam durchstreifen, würden sie trotzdem von den rezeptoren aufgenommen und lösten einen abwehrreiz aus. sobel schildert den vorgang:

‚es ist zwar nicht so, daß man mit dem einen nasenloch äpfel und mit dem anderen apfelsinen riechen kann, aber dennoch ist der unterschied groß genug, daß wir geruchsnoten links und rechts unterschiedlich stark wahrnehmen.‘

so betrachtet, scheint das altindische wort ’nasa‘ einer wesentlich präziseren erfahrung von natürlichen, separierenden vorgängen zu entspringen, die vermeintlich in vergessenheit geraten ist. für das riechen ist ein vielfaches an genen im vergleich zum sehen zuständig. das menschliche genom für visualisierung enthält nur drei bauanleitungen für die eiweiße der sehzellen und deren farbwahrnehmung. ein weiteres gen ist für die hell-dunkel-wahrnehmung verantwortlich, schrieben die redakteure brodmerkel und berg in ihrem artikel ‚der richtige riecher‘ in der ‚berliner zeitung‘ (05.10.2004, s.13). 1991 entdeckten die mikrobiologin linda b. buck und der molekularbiologe richard axel, daß der mensch genau wie alle anderen säugetiere über cirka 1000 riechgene verfügt. in den genen wird die information der spezifischen geruchsrezeptoren der cilien (nervenfortsätze von riechzellen) festgelegt. so habe axel im dezember 1995 geschlußfolgert:

’schon dieser hohe aufwand mag anzeigen, welche bedeutung der geruchssinn bei den meisten säugern für das überleben und die fortpflanzung hat.‘

die unmittelbare, strikte bewertung bei der geruchswahrnehmung macht seine besonderheit aus. geruchseindrücke werden in wesentlich stärkerem maße als etwa sehen, hören oder tasten von emotionalen und bewertenden reaktionen begleitet. so ist es beispielsweise schwer möglich, sich des widerwillens, mit dem ein unangenehmer geruch (z.b. stinkbombe) zum rückzug rät oder der attraktivität eines essengeruchs mental zu entziehen. der verstand scheint durch gerüche jedweder art zeitweilig auszusetzen. deswegen kann der geruchssinn als absolut subjektgebunden oder selbstbezüglich charakterisiert werden. deutlicher als in anderen sinnesbereichen zeigt sich bei der chemischen stimulation der nasenschleimhaut, daß wahrnehmung nicht mit reizregistrierung gleichzusetzen ist, sondern auf einer wechselwirkung von perzeption und motivation, sensorik und motorik beruht, sodaß gerüche stark an personen, gegenstände, räume oder situationen gekoppelt erscheinen. urteile und menschliches handeln sind demzufolge viel enger an sinnliche wahrnehmung gebunden, als lange zeit angenommen wurde.

antonio r. damasio behauptet in seiner studie ‚gefühl und bewußtsein‘ sogar, daß gefühle grundlegende voraussetzung für menschliches bewußtsein bilden und erklärt diese these mit den chemischen und neuronalen veränderungen, die das gehirn auslöst, wenn reize als gefühlsauslöser an bestimmte regionen des gehirns (hypothalamus, basales vorderhirn und amygdala) weitergeleitet werden:

‚das ergebnis, der oben beschriebenen chemischen und neuralen befehle, ist eine globale vernetzung im zustand des organismus. die organe, die die befehle erhalten, verändern sich in reaktion auf die befehle. so bewegen sich die muskeln – egal ob die glatten in einem blutgefäß oder die quergestreiften im gesicht -, wie ihnen geheißen. doch auch das gehirn wird verändert. die ausschüttung chemischer stoffe, etwa von monoaminen und peptiden aus bestimmten regionen des hirnstamms, verändert die arbeitsweise zahlreicher schaltkreise im gehirn und löst spezifische verhaltensweisen aus – unter anderem bindungsverhalten, spielen oder weinen. die ausschüttung chemischer substanzen kann auch die repräsentation des körpers im gehirn verändern. mit anderen worten, das gehirn wie der körper im engeren sinn werden umfassend und tiefgehend durch die befehle beeinflußt, obwohl der ursprung dieser befehle auf ein relativ kleines hirngebiet begrenzt ist, das auf ein bestimmtes geistiges ereignis reagieren muß. kurzum, alle gefühle benutzen den körper – zum beispiel seine innere chemie, seine eingeweide und seine muskeln – als theaterbühne… gefühle sind ein allgegenwärtiger tatbestand des menschlichen lebens, und sie üben ihre wirkung durch empfindungen aus. durch empfindungen, die nach innen gerichtet und privat sind, machen sich gefühle, die nach außen gewandt und öffentlich sind, dem geist bemerkbar. letztlich ist es das bewußtsein, das den gefühlen ermöglicht, besonders tief und nachhaltig auf den geist einzuwirken.‘

damasio schildert den körper als medium seiner emotionen, die sein gesamtes verhalten und denken anregen, bestimmen und immer wieder neu gestalten. im alltäglichen gleichklang mag das vielleicht nicht besonders auffällig spürbar sein. aber: welcher mensch hat nicht schon einmal so intensive trauer oder glücksgefühle erlebt, daß er bemerkte, wie viel mühe es bedarf, um sich in solchen extremsituationen auf lernen, arbeit und andere gewohnheitsmäßige verrichtungen zu konzentrieren? immer wieder springen die gedanken oder schweifen ab. eine ähnliche stimulation und gesteigerte wahrnehmung bietet auch (performative) kunst in einer art gemeinsamer verabredung zur umbesinnung, versinnlichung und alltagsferne.

die Wahrnehmung von (körpereigenen) gerüchen und die gezeigten gefühle entziehen sich der selbstverortung in dem maße, wie unbestimmt die wirkung auf das menschliche gegenüber letztlich immer bleibt. glaubwürdig gemeinte, tolerante interaktion kann diesem problem von fremd- und selbstbestimmung abhilfe schaffen. selbst wenn ein mensch versucht, seine gefühle hinter einer fassade der undurchdringlichkeit zu verbergen, kann sein geruch ihn verraten. so wird zum beispiel in prüfungssituationen meistens scharf und beißend riechender angstschweiß über die hautoberfläche abgesondert, den nicht nur spürhunde oder bluthunde wittern. peinlich erscheint es dann, wenn sich unter den achseln, begünstigt durch synthetische stoffe, feuchte ringe abzeichnen.

steinzeitleser mit eselsohren vs. ebook-user

das ieeehhhbuch oder besser ebook bietet so viel lesekomfort. dank libri-werbung kenne ich nun die technischen details, maße & masse. ich könnte in 260 gramm leichter hightech knister- und knitterfrei in zwei vorinstallierten romanen und unzähligen romanauszügen blättern. u-bahn-gerechte häppchen-literatur. ende unbekannt, gerade wenn es spannend wird. das ebook-gesetz der fernsehserie. entweder du zahlst nun, oder du wirst den faden selbst zu ende spinnen müssen.

man könnte sich ein hobby daraus machen, ebook-appetizer als fortsetzungsromane zu verfassen und würde sich in bisher ungeklärte verhandlungen über das urheberrecht begeben.

bloß, warum sollte ich mir noch so eine empfindliche elektronikkiste anschaffen? ich kann auch heute schon per iphone oder ipod touch bücher lesen (vgl. textunes). und ein handy habe ich eher mal dabei. dann paßt auch noch ein buch in die tasche, das hinterher eselsohren auf den seiten hat und kaffeeränder auf dem buchumschlag.

gründe, die gegen das lesen von büchern auf displays sprechen: bildschirmarbeit ermüdet die augen mehr als zeilenweises lesen, zumal wenn dann auch noch werbebanner in grellen farben vom lesen auf dem computermonitor ablenken. augenflimmern, -ringe und nervöses zucken können mit künstlichen tränen jedoch auch nur geringfügig minimiert werden.

außerdem mag ich den geruch von plastik weniger als druckerschwärze. frische kunstbildbände riechen besonders gut! bilder im original können in der galerie schon noch ein paar wochen nach acryl oder ölfarbe vor sich hin muffeln. ich blättere gerne zurück, streiche mir interessante textstellen in meinen büchern an, ja – ich bin mein eigener buchbeschmutzer! welcher experte föhnt mein ebook, wenn es beim tretbootausflug ins wasser gefallen ist, hm? und was stelle ich dann repräsentativ und bildungsprotzig in mein bücherregal? chinesisches porzellan – hübsch zerbrechlich und staubanhänglich? och nö, dann bleibe ich lieber steinzeitleser.

 

zitrussaure wort:kombi:nat:ionen auf kosmetik

allmorgendlich öffnen sich müde lider, schleppen beine das menschenkind in richtung toilette. blicken verschlafene augen auf eine flasche duschgel. starren, glotzen noch mal. das gehirn meldet einen ersten sprachalarm am morgen. die duftmischung nennt sich lemongrass/olivenmilch (den herstellernamen verschweige ich absichtsvoll). wer textet eigentlich immer diese vermaledeiten verpackungsaufdrucke, die dann auf dem stillen örtchen aus langeweile gelesen werden? das ist wieder denglisch im gefährlichen sprachstrafraum.

zitronen:gras in kombination mit oliven:milch scheint den texter an sauerampfer mit kuhplörre erinnert zu haben. damit duscht sich niemand gern. und was ist mit ‚olive milk‘? ein anklang von grünschimmel? brrr…

ich finde ja nichts abwertendes oder animalisch klingendes an dem wort zitronengras. meine ersten assoziationen sind da eher gelb, grün, saftig und frisch, jedenfalls nicht ätzende zitrussäure.

bei der vermarktung von düften wird immer mit den assoziationen von konsumenten gespielt. ich bin einfach nur sauer, dass ich das nicht früher gelesen habe, sondern wie ferngesteuert der angenehmen geruchsempfindung bei der wahl der duschmittel folgte… der geruch und seine wirkung auf das unterbewußtsein ist aber ein eigenes thema.