Archiv der Kategorie: medienkompetenz

typ:ograph:isch

ich wollt ich wär ein huhn,
ich hätt nicht viel zu tun.
ich legte vormittags ein ei
und nachmittags wär ich frei.
mich lockte auf der welt,
kein ruhm mehr und kein geld,
und fände ich das große los,
dann fräße ich es bloß.
ich brauchte nie mehr ins büro,
ich wäre dämlich, aber froh
und hab ich manchmal keine lust,
ein kluger mensch zu sein,
erwacht ein wunsch in meiner brust
und ich gestehe ein…

warum der liedtext von den glückskindern hier steht? nun, er könnte eine kulturhistorische bereicherung für meine im ansatz steckenden überlegungen zur auswirkung der digitalisierung auf die jetztsprache sein. diese wiederum wurden durch mehrere irreguläre auffälligkeiten ausgelöst. im vergangenen jahr sah ich mir die premiere des dokumentarfilms „was ich will, ist spielen“ über meine lieblingsschauspielerin corinna harfouch an. das filmplakat zeigte eine wunderbare alte sw-aufnahme von der aktrice beim friseur unter einer trockenhaube. leider hatten die graphiker dabei das komma mal eben unter den tisch gekehrt, ausgeblendet, ignoriert, übersehen. da, wo es hingehörte, fehlte es. nun las ich gerade irgendwo, daß habermas kommafehler macht. wie beruhigend. ich auch. nur wollte ich mir kein plakat mit sprachlichen schönheitsfehlern ins zimmer hängen, mit menschlichen schon viel lieber. im verlauf der zeit bemerkte ich immer häufiger fehlende kommata in werbesprüchen. die claims müssen branchenüblich kurz und knackig sein. ach, so ein lächerliches komma *pfffffft*, kann man doch drauf verzichten. stört doch nicht weiter. nein, aber es macht keinen klugen eindruck. *nicht vorhandene brille auf den nasenrücken runterschieb und über die gläser schiel*. neulich erhielt ich dann eine der unzähligen spammails, vermutlich aus asien mit dem betreff: gluckwunsch. also, dafür wird es langsam, aber sicher zu spät sein. ich habe doch keinen braten in der röhre! na, hörnse ma, könnse nich ma ein ue schreiben, wennse mir gratulieren wolle, wo isch misch so über geldregen freuen täte?

fährt man mal mit dem mauszeiger über das erste bild, wird man feststellen, daß ich die hühner zur lesbarkeit für computersysteme ohne umlaute schreiben mußte. da lachen ja die huehner (*gackgackgack*). räusper, nein, im ernst, in der virtuellen welt existieren noch viele alte computersysteme ohne umlaute, weshalb sich der sieben-bit-ASCII-zeichensatz bis heute hartnäckig hält. würde man sich diesen text mal im html-code ansehen, wäre er mit  den vielen unicode-zeichen für den nicht-nerd nahezu unlesbar. warum das jetzt auch meiner aprilfrischeflasche so abgedruckt wird, kann ich selbst mit viel grübelei nicht nachvollziehen. (*denk… deeenk… um-die-ecke-deeenk*… nichts). dort steht nun augenunfreundlich: „…parfuemstoffen…“ oder „hautvertraeglichkeit“. weiter unten dann wieder mit umlauten „ich fühl mich wohl…“ und „hautverträglichkeit dermatologisch getestet“. beschäftigen werbeagenturen jetzt auch koreanische korrektoren wie die producer der simpsons animatoren aus korea sweatshoppen?

(mehr infos über die reaktionen auf den vorspann u.a. hier)

und, ach, das ß. scharfes s. eszett. immer mehr graphiker scheinen aus der schweiz nach deutschland einzuwandern, nicht andersrum. das maß ist nicht voll, das boot auch nicht, nur ich habe die schnauze voll von so viel ss, wo es nicht hingehört. oder haben die meisten graphiker nur noch importrechner? kann ich mir fast nicht vorstellen. es muß so etwas wie eine optische vorliebe sein, anders kann ich das kaum deuten. maßvoll wird zu massvoll. maßgenau, zu massgenau,  maßstab zu massstab (bitterlich, diese dreigleichheit der buchstaben). groß zu gross. ah, mit einer g-k-schwäche nehme ich diese ente auch noch, süßsauer, aber gerne doch. die werbliche verhunzung der sprache – ist sie nur die logische folge der digitalisierung oder unkenntnis der sprachregeln oder die folge ästhetisch-typographischer vorlieben? klar, kann man sich jetzt hier über meine schwer lesbare kleinschreibung aufregen. man kann es aber auch sein lassen, es sind schließlich flüchtige notizen, die ich in meinen computer hacke, und es ist keine wissenschaftliche analyse. punkt, punkt, komma, strich, fertig ist das mondgesicht :-) .

 

dieses foto stammt nicht aus der schweiz, sondern wurde in der karli in leipzig aufgenommen.

 

un/vergessen

als ich mit hackenporsche auf dem bahnsteig in stralsund ankomme, bleiben fast zwei stunden bis zur fährüberfahrt. zu wenig zeit, um das ozeanum zu besichtigen, zu viel zeit, um die ganze zeit am hafen rumzugammeln. das wetter war gut, also navigierte ich mich mit hilfe von guhgel-mäps auf meinem  fernmündlichen winzcomputer in richtung fährhafen. recht schnell entschied ich mich gegen die strecke auf der magistrale, dafür durch das zentrum entlang der tw. sensationell sanierten alten häuser. so ein rollkoffer kann ja auf kopfsteinpflaster  fast die phonstärke eines hubschraubers im landeanflug erreichen. die touristen in den straßencafés, an denen ich wohl oder übel vorbei mußte, wenn ich den zahlreichen baustellen auf den bürgersteigen ausweichen wollte, musterten mich dementsprechend mit mehr oder weniger schlecht getarnter, lärmgenervter empörung. ich fragte mich eine millisekunde lang, wie sie sich an meiner stelle verhalten würden. da der koffer vom kraftaufwand her fast mein fliegengewicht aufwog, sah ich keinen grund ihn leise, dafür ächzend zu schleppen. im koffer befand sich auch die kamera samt fototasche, da ich keinerlei lust auf rumgebammel von taschen an meinem körper hatte. ich bereute das erstmals als ich an der historischen stadtmauer mit den eingelassenen schaukästen des ozeanums vorbeilief. unterwegs boten sich hofeinfahrten mit schiffsrümpfen als fotomotiv an. aber ich blieb einfach stur. die beschädigte can.not hätte so gut in meiner hosentasche platz gefunden. HÄTTE!!! hat sie aber nicht. nun schlummerte sie den schlaf der ungerechten in der fototasche im heimischen schrank.

 

von birgit brenner (pappe, papier, acryl, klebeband), aufgenommen in der galerie eigen+art beim frühjahrsrundgang in der baumwollspinnerei 2010

 

den fährhafen wiederum fand ich ziemlich unspektakulär. ich ließ mich auf einer mauer nieder, rauchte, beobachtete möwen und touristen, entdeckte auf die fähre wartend einen ehemaligen kollegen aus leipzig, tat so, als sähe ich nix  und niemanden und verfolgte mäßig gespannt den steten zufluß an fährpassagieren. am ufer lag genügsam die gangway, auf der schon so viele herumgetrampelt hatten, während sich die reisewütigen in einem nervösen pulk darum versammelten. erste fotos wurden geschossen, der hafen auf und ab, hoch und runter gefilmt. kaum legte das fährschiff an, ergoß sich ein strom von erholten aus dem boot. würde ich in sechs tagen auch so verklärte blicke senden? am ufer begannen die wartenden wie ein bienenschwarm vor dem landgang zu surren, die stimmen erhoben sich und die lautstärke schwoll an und ab. ich sah zu, wartete bis sich der pulk lichtete, der sich, fuß vor fuß setzend und im geishagang tippelnd, an bord schob. als eine der letzten bestieg ich das schiff und fand einen sitzplatz auf dem sonnigen oberdeck. direkt hinter dem exkollegen. toll. über arbeit reden. das gespräch hielt nur kurz an, bald schwieg ich beharrlich, lauschte dem wellenschlag und beobachtete meine umgebung. mehrere passagiere würden mir auf der insel wiederbegegnen. denn bei 19 km² gibt es zwar ausweichmöglichkeiten, dennoch trifft das gesetz der wahrscheinlichkeit gleichermaßen zu. rechts hinter mir saß ein pärchen, das die gesamte überfahrt mit einer videokamera filmte, vom ablegen des fährschiffes, über das oberdeck schwenkend, panoramablick auf das meer in diese und jene richtung, vorbeifahrende schiffe, möwen, sie filmt einen lächelnden ihn, er eine lächelnde sie. huuuuuaaaaaah, *hand vor den mund leg*, es wurde mir schon vom zuschauen langweilig. wie öde das erst im heimkino wirken würde, vor allem für den gähnen-unterdrückenden, an der reise gänzlich unbeteiligten zuschauer? ich würde diese einladung nicht annehmen. nein! daß dieses pärchen so ziemlich jeden moment seines inselaufenthalts gefilmt und sich unermüdlich an durchlinsten erinnerungen festhaltend abarbeitete, fiel mir dann zwei tage später auf. ich hatte auf dem rückweg vom leuchtturm nach kloster den steiluferweg gewählt, da ich unbedingt noch eine zwischenstop an der lietzenburg (einer ehem. künstlervilla) einlegen wollte. am steinstrand hatte ich auf dem hinweg hühnergötter und donnerkeile gefunden. ich war vom vielen laufen und suchen und bücken erschöpft, aber zufrieden und legte eine kurze rast auf einer bank am steilufer ein. da schob sich dieses seltsame, alles festhalten-wollende pärchen von links in mein blickfeld. man grüßt auf der insel für gewöhnlich jeden, nur die dorfbewohner weichen allen höflichkeiten meistens aus. also murmelte ich ein „hallo“ und dachte, sie schieben sich schnell wieder nach rechts aus meinem bild. aber neeeiiiiiiiiin! wohin denn?! sie blieben direkt vor mir stehen, er filmte eine lächelnde sie an der holzbrüstung vor dem steilufer mit panoramaschwenk. dann stellte sie sich noch zwei meter weiter nach rechts an das andere ende der brüstung, das prozedere wurde wiederholt. in manchen momenten wünscht man sich ja, daß eine holzbrüstung nachgibt, zumal dann, wenn überdurchschnittlich viel holz vor der hütte auf so einen schmalen balken trifft, der ja nicht ausweichen kann. ich verfolgte das medienspektakel als unfreiwillige schaulustige und zog meine mundwinkel unter anwendung äußerster mimikbeherrschung und lachanfallunterdrückung nach unten.

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und immer wieder, wenn ich über die insel ging, mußte ich daran denken, wer die inselidylle schon alles gemalt, fotografiert, gefilmt und beschrieben hat. aber das ist eine andere geschichte und sie wird ein anderes mal aufgeschrieben. dementsprechend sank meine motivation, selbst zu fotografieren auf ein absolutes minimum. einerseits bewahrte mich die kleine speicherkarte in der leihkamera vor wilden fotoschießübungen, andererseits auch mein wunsch, alles mit den augen zu erfassen, die umgebung ohne einen  kleinen, viereckigen bilderrahmen zu sehen. meine blicke ruhten lange auf einzelnen punkten oder schweiften über die unendlichkeit des meeres. nur selten entschloß ich mich, die kamera einzusetzen, eher aus gewohnheit, denn aus überzeugung. so viele wunderschöne bilder liegen nun in meinem herzen.

verkehrte welt

wie dieser schatten fällt, wie diese welken blumen in der vase dörren – das symbolisiert für mich die aktuellen reaktionen der katholischen kirche und insbesondere der diözese regensburg auf artikel über die kindesmißhandlungen eines pfarrers und ihre vertuschungsversuche. es geht gegen die aufklärung über das thema unzucht und um die zurechtweisung von kritikern: kritischer journalist = sündenbock = mundtot, so lautet die rechnung. mit allen mitteln, nun juristischen. und jetzt eben die abmahnung gegen stefan niggemeier. das kann doch alles gar nicht wahr sein!!! die spielen doch verkehrte welt, wo die doppelmoral gegenüber dem stillschweigenden, duldsamen, aber stets peinigenden doppelleben der opfer gewinnen soll. schmoren hier nicht die falschen in der eigentlich abgeschafften vorhölle?

es ist zutiefst beschämend, daß sich die opfer überhaupt erst so massiv an die öffentlichkeit wenden mußten, um gehör zu bekommen, daß sie jahrzehntelang zwischen verdrängung und verarbeitung schwebten, daß sie boulevardmedial vorgeführt werden, daß ihnen durch den abmahnkrieg wieder jede hoffnung an einem zur-ruhe-kommen – falls das überhaupt möglich ist – zerstört wird, daß sie ein leben leben müssen, in dem sie von dunklen schatten eingeholt werden, die ihnen erspart geblieben wären, hätte man sie nicht in die obhut von nur scheinbar vertrauenswürdigen gegeben, daß ihr erschüttertes vertrauen nun von religiös-bornierten erdbeben weiter verschüttet werden soll, daß ihnen die nicht helfen wollen, die fehlbar und mitverantwortlich sind. soll das etwa hilfreich  bei der bewältigung von traumata sein? wäre jetzt, wo die riesenwelle ohnehin heranrollt, nicht endlich der richtige zeitpunkt für ehrlichkeit?

an diesem punkt der unterdrückung von freier meinungsäußerung, an dem kann ich nicht mehr nur mit dem kopf schütteln. sollte es zu einem prozeß gegen stefan niggemeier kommen, werde ich spenden, und natürlich nichts in die kollekte werfen. nun, wer weiß, vielleicht brauche ich bald selbst solidarität. sei’s drum!

gemeinsache geheimnis

stencil von d′pol in weimar - björk als meerjungfrau

wenn alberne leute sich bemühen, ein geheimnis vor uns zu verbergen, dann erfahren wir es gewiß, so wenig uns auch danach gelüstet. (marie von ebner-eschenbach, aphorismen)

keine zwei tage halten es die meisten meiner artgenossinnen laut einer studie britischer wissenschaftler mit einem geheimnis alleine aus, dann laden sie ihr schlechtes gewissen bei einem mitwisser ab. ich werde das gefühl nicht los, daß meine weiblichen bekanntschaften eher noch unter dem durchschnitt dieser „wahnsinnig langen“ zeitspanne der verschwiegenheit liegen und in etwa so extrem darunter leiden wie manch leicht erkälteter, männlicher jammerlappen, wenn ihnen eins dieser nicht weiter zu erzählenden tratschthemen unter dem siegel der verschlossenheit in die lauscher gelangte. ich kann  mich gerade nicht entscheiden, ob es ihnen schwerer fällt, den plauderkasten oder ein versprechen zu halten, vermutlich aber beides zu gleichen teilen. wahrscheinlich bin ich eins dieser völlig weltfremden, weiblichen wesen, das nichts mehr zur geheimnisverbreitung beiträgt und damit den bezweckten kreislauf an einer stelle unterbricht, den gesprächsmotor zum stottern bringt und ihn eiskalt absaufen läßt. was ja nicht heißt, daß die geheimnisse nicht auch noch „sicherheitshalber“ an  dritte, vierte, fünfte etc. ausgeplaudert werden. schließlich muß so eine frauenheimlichkeit ihre unheimliche wirkungsmacht vollständig entfalten, damit hinterher erwartungsgemäß viele tränen vergossen werden können. ja, wer rechnet da unter uns schon mit vertrauensbruch? der kleine kreis hat urplötzlich verdächtig viele nebenverästelungen, die nichts lieber als stille post spielen. kann man als besprochene/r eigentlich nur froh sein, wenn man seine lebensgeschichte überhaupt wiedererkennt, zwar ein bißchen verzerrt, aber ach, das war doch sinn und zweck des ganzen: ein unverschlüsseltes episödchen durch genüßliche gerüchteküche zum drama aufzubauschen.

und dabei muß ich mir hinterher jedes mal stundenlang die ohren spülen, um den hineingepfropften plauschflausch und menschlichen unrat wieder zu entfernen. ich verstehe nicht, warum keine frau hören will, daß ich ihre geheimnisse nicht wissen will. ein nein deuten sie scheinbar prinzipiell gegenteilig. ich nehme die ganze grütze dann mit ins grab, während sie sich schon viel besser fühlen. wtf… dabei bin ich der meinung, daß echte geheimnisse sowieso nicht mitteilbar sind. das stört sie aber rein gar nicht. ich sollte mir wohl eine spezialanfertigung von ohrstöpseln  gegen tuschlige stutenbissigkeit zulegen, die worte ab einer bestimmten tonhöhe und einer bestimmten geschwindigkeit einfach blockieren. dabei ist dieses verhalten sooo menschlich, nicht mal mehr das bankgeheimnis wird gewahrt. warum sollten sich frauen besser als banker verhalten? ihr mund wurde ja auch nicht als schließfach konzipiert.

eingeschränkt unschlagbar

nicht im traum würde mir einfallen, freiwillig bei einem boxkampf zuzuschauen, wie die muskelberge sich gegenseitig die birne weichkloppen. hirnerweichung scheint aber auch auf die macher der werbekampagne und deren auftraggeber abgefärbt zu haben. selbst ohne einen kampf gesehen zu haben, sind mir doch dunkel einige niederlagen von dr. faust (vitali klitschko) und dr. steelhammer (wladimir klitschko) in erinnerung geblieben, die ich wohl in den medien aufgeschnappt haben muß, ohne mich aktiv dafür zu interessieren. also worauf bezieht sich dann bitte das unschlagbar? auf mcfit, auf gutes aussehen, auf leipzig oder gar auf die klitschkos? zur gedächtnisauffrischung: nun die klatschen erlebte dr. faust am 1. april 2000 gegen chris byrd und am 21. juni 2003 gegen lennox lewis. sein kleiner bruder mußte gar bei drei profikämpfen ohne trophäengürtel heim: am 5. dezember 1998 gegen ross puritty, am 8. märz 2003 gegen corrie sanders und am 10. april 2004 gegen lamon brewster. scheinbar funktioniert mein gedächtnis noch, meide ich doch tunlichst den physischen schlagabtausch und lege es höchstens auf geistigen an. die auflösung finde ich in einer presseerklärung von mcfit:

in den letzten zwei jahren konnte ihnen kein gegner das wasser reichen.

ach, das reicht also schon für eine verallgemeinernde werbeidiotenbotschaft! unschlagbar klingt so ewig, so unsterblich, so haltbar, so unbesiegbar, daß man fast den sensenmann vergessen könnte. ich habe keine ahnung, ob die typische mcfit-kundschaft auf ein weniger verläßliches gedankenkonvolut zurückgreifen kann als meine körperlich unfitte wenigkeit. mir deucht allerdings nach meinen heutigen beobachtungen, es handelt sich vorwiegend um menschen, deren breite oberkörper in v-form von einem im verhältnis dazu winzigen, kahlgeschorenen kopf abgeschlossen werden, deren arme wegen der  muskelmasse irgendwie unbeholfen an den seiten wegstrotzen und die trotzdem aussehen, als sollte man unbedingt den zu hohen luftdruck ablassen, weil sonst die armreifen platzen. zwar muß ich mich derzeit auch mit muskelaufbau beschäftigen, aber eher deswegen, weil ich mich nicht so fühlen will, als bräuchte ich ein stützkorsett. wäre ich ringrichter im fitneßstudio, würde ich dringend vor weiterem aufblähen abraten. naja, wenn man am geistigen limit lebt, muß man wohl nicht unbedingt auch noch muskelmasse begrenzen. während geistesgröße nicht mal mit iq-tests richtig meßbar ist, kann man aber den muskelaufbau mit dem bandmaß dokumentieren. das ist doch schon mal ein großer vorteil, eine ansteigende kurve, die auch irgendwann nur noch fällt. am ende sind wir alle k.o., und gutes aussehen bleibt glücklicherweise ansichtssache. ich hab schon mal die große sonnenbrille parat gelegt, falls die sonne zu tief steht oder so.

the big bang theory oder die permutation von in & out

nichts kann existieren ohne ordnung. nichts kann entstehen ohne chaos (albert einstein).

spoilerwarnung! diese kolumne enthält einige hinweise auf den handlungsverlauf der serie!

unordnung, das ist nicht die typische welt des dr. dr. sheldon cooper, der schon mal einen leicht korrekturbedürftigen freundschaftsalgorithmus an einer tafel skizziert und dann debattiert, um seinen engen gesellschaftlichen dunstkreis von drei kollegenfreunden auf vier zu erweitern. als theoretischer physiker unzweifelhaft eine koryphäe, scheitert sheldon freilich in realiter. gleichermaßen geek und nerd wird sein leben in der fernsehserie the big bang theory bis ins extrem von darsteller jim parsons ausgespielt, darunter reihenweise liebenswerte bis sympathische spleens, ticks, manien, rituale. noch die kleinste veränderung seiner gewohnten umgebung löst eine kette von eloquenten wortgefechten mit seinem wg-mitbewohner leonard und seinen freunden aus, die mit anspielungen auf kulturelle und gesellschaftliche phänomene sowie mehrdeutigem sprachwitz gespickt sind. darunter blitzt ab und an eine ähnliche, unterschwellige kritik wie schon bei den simpsons hervor.

sheldon ist gewiß aufgrund seiner rolle als schroffe und asexuelle intelligenzbestie schnell zum serienstar erklärt geworden. das liegt sicher auch an der paarung von hochintelligenz und deutlichem empathiedefizit. ständig muß er über ironie und zynismus aufgeklärt werden, da er nicht in der lage ist, nonverbale zeichen oder schwankungen im tonfall richtig zu interpretieren. gelegentlich wird diese rollenanlage als asperger-syndrom rezipiert. (der seriencharakter bleibt dennoch fiktiv, weil er die verhaltensauffälligkeiten in zahlreichen nuancen symptomatisch und dramaturgisch verdichtet darstellt. ähnlichkeiten sind wie immer rein zufällig.)

sheldon verkörpert den geist der wissensgesellschaft und der generation digital natives. zwar gehört politik offenbar nicht in sein weltbild, dafür computer- und konsolenspiele, internet, comics, modelleisenbahnen, fremdsprachen und science-fiction-filme, alles was man eben so in den eigenen vier wänden ungestört konsumieren kann. sobald das unberechenbare von außen in seine innere welt eindringt, gerät er aus dem gleichgewicht und entwickelt ständig neue strategien, die innere ordnung vor dem eindringen des chaos zu bewahren. steht alles an seinem wohlüberlegt zugeordneten platz, mault er nur noch über das essen oder seine umwelt. so aufgeschlossen er gegenüber neuem wissen erscheint, ist er umgekehrt nahezu vollkommen in sich verschlossen, kontakt- und berührungsscheu. soll er aus seinem kokon gelockt werden, bedarf es mehr der bestechung als der überredungskunst. sein interesse für außerhäusig verbrachte freizeit kann nur durch ausnutzung seiner schwachstelle geweckt werden, und das ist seine sammelleidenschaft für raritäten. so erkaufen sich sheldons freunde  seine gesellschaft gelegentlich mit comic-erstausgaben und seltenen fanartikeln. eine schlüsselszene dieser introvertiertheit findet sich in der episode the psychic vortex. hier der dialog zwischen raj und sheldon vor dem besuch einer studentenparty:

sheldon: well, that’s certainly amusing, but i have no interest.
raj: come on, sheldon, the world is filled with people doing things outside. let’s go outside. outside is good.
sheldon: if outside is so good, why has mankind spent thousands of years trying to perfect inside?
raj: i don’t know, it’s a marketing scheme. please, sheldon, i’m a young virile visitor from a foreign land and i need to strut my stuff.
sheldon: let me offer you a compromise. sometimes, when i feel stifled and want a change of scenery i use my imagination.
raj: oh, boy.
sheldon: one of my favorite places to visit is the two-dimensional world described in edwin abbott’s mathematical fantasy, „flatland“.
raj: i don’t want to go to „flatland“…

sheldon cooper demonstriert raj seine flucht in eine imaginäre welt (c) 2010, cbs interactive

sheldon beendet den abend nicht, wie befürchtet, als menschliche argumentationsmaschine, sondern als begleiter und stolzer besitzer einer limited edition der green lantern lantern (dc comics), spielt mit raj und zwei willigen frauen guitar hero und verwahrt sich gegen ein beischlafangebot… to be continued.

vier schrullige typen, die in ihrer kindheit offenbar alle als streber gemobbt und nur fürs abschreiben gelitten wurden, sollen nun  zusammen mit dem blondchen/der kellnernden schauspielerin penny beliebte serienhelden sein? wie geht das denn? das konzept geht vor allem wegen der slapstickhaften überzeichnung der althergebrachten klischees vom ‚verrückten‘ wissenschaftler und freak auf. die erwartungshaltungen werden erfüllt, gebrochen oder sie laufen elegant auf grund. andererseits fesselt auch die oft unfreiwillige, trockene komik der vorgelebten rationalität, in der sex manchmal sogar ohne große umschweife und ohne jede spur von romantik auskommt.

das hohe bildungsniveau macht das leben für die protagonisten nicht unbedingt leichter. manchmal tasten sie sich wie blinde seher durch eine welt der fühlenden, handeln sich hämatome ein, stolpern, fallen, stehen wieder auf, und weiter gehts. das unterscheidet sie kaum von anderen menschen, weshalb annäherungen, austausch, begegnungen höchst wahrscheinlich sind. in der serie manifestiert sich, wie ich finde, eine veränderte wahrnehmung der einstigen gesellschaftlichen außenseiter, die sich zwar manchmal irgendwie sonderbar verhalten, denen man nicht immer ganz in ihren gedankengängen folgen kann, deren kreativität und forscherdrang sich aber infolge der vernetzung von interessengruppen multipliziert haben und die zunehmend anerkennung finden. und so verkehren sich allmählich die vorzeichen für in & out. waren die bezeichnungen nerd und geek vor fünf jahren noch stigmatisierungen, will heute kaum noch jemand den anschluß an den hype verpassen. mal sehen, welche nische sich als nächstes öffnet.

weiterführend empfehle ich das video nerds: weltretter mit hornbrillen? vom elektrischen reporter.

die falsche froschkönigin

streetart im clarapark in leipzig: "are w chic?". nö! nicht mal nach dem wurf an die wand wird aus mir eine froschkönigin.

zwischen meinem volontariat und meinem studium war ich vor ewigkeiten mal einen monat lang arbeitslos. damals wurde ich sogar noch beraten und mir eine ausbildung zum pr-fuzzi angeboten. ich lehnte ab. warum? weil ich keine käufliche krämerseele habe. ich kann weder mich noch andere sachen gut vermarkten.  und ich lasse mich ganz schlecht verbiegen, sowohl geistig als auch körperlich. entweder man mag mich oder man läßt es eben sein. ich buhle nicht, ich winsele nicht, ich krieche nicht, ich schleime nicht, ich gucke nicht mit hundeaugen. basta! um genau zu sein, all das hasse ich wie die pest. nur manchmal versuche ich mich sehr erfolglos im koketten wegschauen. es sei mir hoffentlich verziehen. aber das macht mich noch lange nicht zur pr-kokotte.

ich könnte mir jetzt den bauch pinseln, weil mir jemand die rezension eines lifestyle-magazins aus haha (lautsprachlich) in meinem blog angeboten hat. wahrscheinlich kommt es dem ein oder anderen blogger bekannt vor, daß er einer von 85 ausgesuchten versuchskaninchen für eine kostenlose pr-aktion sein soll. nein, ich erwähne den namen des magazins nicht, denn dann wären die mutmaßlichen berechnungen möglicherweise aufgegangen!!! das kommt mir nicht in die buchstabensuppe. und ganz ehrlich, wer den blog mal etwas genauer gelesen hat, weiß wie ich über solche aktionen denke. ich finde einen kuhfladen interessanter als popkultur. wenn ich eine eigenschaft nicht besitze, dann ist es massenkompatibilität. da muß ein genetischer defekt vorliegen, über den ich absolut nicht unglücklich bin. ich bin nicht die, für die man mich in der marketingabteilung hält. von wegen! hier ein auszug aus der mail, nur für den wiedererkennungswert:

wir haben jede menge blogs durchgesehen und überlegt, in welchem blog ähnliche themen, ähnliche haltungen wie im *** vermittelt werden. genau 85 blogs haben wir gefunden, denen wir folgenden vorschlag machen wollen: rezensiert das ***…

oh, da müßt ihr aber gründlich oberfächlich quergelesen haben. ich halte mich selbst für nicht berechenbarer als den nächsten vulkanausbruch. ich strebe nicht nach ruhm, nicht nach größe, nicht nach wohlstand und kann ohne bedauern auf linke werbelinks verzichten („… den porträtieren und verlinken wir wiederum auf unserer seite ***…“), weil ich diesem zahlen- und rankfetischismus durchaus skeptisch gegenüber stehe. ich lebe einfach mein leben und schreibe einfach so für  m i c h –  ohne gewinnerwartungen. das leben hat noch immer die unverhofftesten dramaturgischen wendungen für mich übrig gehabt und kennt kein gleichmaß. mensch leute, mein blog ist doch nun wirklich keine losbude für kostenlose probeabos. ich habe schon die rote karte für das durchschaubare gezogen. wie es mir beliebt. und ich hoffe, ihr da in der marketingelabteilung kriegt wenigstens kurzzeitig glubschaugen.

datenschutzlöcher im web 2.0

ambivalente aussage: ist das die ankündigung von unterstützung oder doch eher eine drohung?

hieße ich hans müller, könnte ich mich vielleicht aufgrund dieses allerweltnamens im web 2.0 etwas mehr in  sicherheit wiegen (googletreffer heute ca. 3.170.000). trügerisch, denn selbst diese aussage unterliegt weiteren einschränkungen: wohne ich in einer großstadt oder in einem dorf mit weniger als hundert einwohnern? hinterlasse ich also zusätzlich noch angaben über wohnort und arbeitgeber im netz, steigt die wahrscheinlichkeit, mit dem namen eine person in verbindung bringen zu können. so www, so schlecht für manchen user, denn  eben jene unbedarftheit führte in diversen fällen (z.b. hier und hier) zu nervigen eskalationen verbaler auseinandersetzungen, zum kleinkrieg mit schimpfkanonaden, zum fallenlassen jeglicher hemmschwellen oder zu abmahnungen. auch die anonymität hat einen nicht unerheblichen anteil an diesen kommunikativen entgleisungen. denn wer weiß, wie er seine identität verschleiert, neigt schneller auch mal (aber nicht in jedem fall) zur gezielten beleidigung, bloßstellung, diffamierung, nach dem motto netiquette?! was ist das denn?, bis hin zu handgreiflichkeiten, wenn man erst einmal die adresse herausgefunden hat und die rachegelüste völlig freidrehen, weil jeglicher appell an die vernunft einfach ignoriert wird. ist denn das virtuelle ich weniger verletztbar als das reale? ich sage nein.

wohl jeder webmaster, foren-moderator, blogger kennt solche schriftlichen äußerungen, die, würde man sie hören können, vermutlich ein erhebliches maß an normaler gesprächslautstärke überschritten. dabei ist klar zu unterscheiden zwischen freier meinungsäußerung, auch konstruktive kritik genannt, rechthaberisch motiviertem streit oder etwa schriftwechsel mit gegenseitigen vorwürfen in der mitmach-arena moderner cyber-stierkämpfer. ein kollege, seines zeichens webmaster, wies mich kürzlich darauf hin, daß es in zahlreichen gästebüchern und virtuellen gemeinschaften tatsächlich  immer noch gebräuchlich ist, zu den realnamen oder nicknames gleich noch den wohnort oder/und die mail-adresse unverschlüsselt zu veröffentlichen. dabei nützt es recht wenig, sich ein pseudonym zuzulegen, wenn in der mailadresse ein klarname auftaucht. es empfiehlt sich  grundsätzlich, mindestens eine alias-adresse  zu benutzen, die keine rückschlüsse zuläßt, aber auch nicht für die rufschädigung anderer personen zweckentfremdet wird.

weil ich das persönlichkeitsrecht respektiere und nicht auch noch computerkriminelle mit der nase darauf stoßen will, überlasse ich die überprüfung dieser aussagen ausnahmsweise dem leser (die rechercheergebnisse teile ich nur auf ausdrücklichen wunsch und bei in meinen augen seriösen anfragen mit, d.h. nicht per blogkommentar). für mich ergibt diese praxis allerdings nur in ausnahmefällen einen sinn (z.b. xing, da aber auch mit abstrichen, vgl. hier der absatz: ratgeber für nutzer), ansonsten sehe ich eher die privatsphäre gefährdet als die glaubwürdigkeit der diskussionsteilnehmer herabgesetzt, denn diese wird vorwiegend per inhalt und wortwahl vermittelt. bei solch datenunsicheren gästebüchern wird leichtfertig vertrauen  gegen den verlust von vertraulichkeit eingetauscht, was ich mehr als fahrlässig finde.

jetzt könnte der kritische oder hämische geist einwenden: die nutzer tragen doch freiwillig ihre daten ein, ergo sind sie selbst schuld. das stimmt zwar, ist aber kein argument für mehr schutz von sensiblen daten im netz, nicht im zeitalter von spamming und sonstigen netzschikanen. denn das „böse“ findet das „arglose“ überall, um es ganz einfach auszudrücken. auch wenn weniger netzaffine vielleicht mal etwas von privatsphäre-einstellungen bei facebook vernommen haben, so fehlen ihnen doch leider zu oft das verständnis für technische raffinessen oder das interesse daran. die frage ist doch eher, ob man nicht mit regulierung der voreinstellungen datenmißbrauch umgehen könnte? also die seite so zu konfigurieren, daß der admin zwar die daten einsehen kann, sie aber nicht öffentlich macht bzw. im falle von mißbrauch notfalls eine möglichkeit der rückverfolgung hat, wenn nicht gerade surfen via proxy oder vpn  die herkunft verdunkeln. welches interesse kann ein homepage-eigentümer daran haben, unerfahrene nutzer erst mal selbst schlechte erfahrungen sammeln zu lassen, bis dieser dann mit dem antrag auf löschung personenbezogener daten zitternd, zeternd und zagend bei ihm vorstellig wird? mit dem löschen auf der jeweiligen internetseite ist das verschwinden aus den suchmaschinen allerdings nicht gleichzusetzen. aus den fängen einer datenkrake wie google muß man sich in zeitraubenden und mühsamen kämpfen entfernen (hier gibt es aber nützliche tips). gegen  internetkra(n)ke sind spuren im schnee vergleichsweise ephemer, schon alleine deshalb, weil es so etwas wie jahreszeiten und temperaturschwankungen gibt.

ein ganz allgemeiner hinweis zur nutzung des internets (auch an mich selbst): erst denken, dann klicken und senden.

ganz einfach kompliziert

bei diesem paste-up von alias wurde vermutlich nachträglich eine sprechblase hinzugefügt: en realidad me siento feliz.

sich mit menschlicher blöße ins öffentliche schußfeld zu begeben, das ist nur noch für eine minderheit ein alptraum. im virtuellen wie im wahren leben klappen die tabus weg wie getroffene figuren an einer rummelschießbude. es herrscht ungebändigtes mitteilungs- und trennungsbedürfnis selbst mit klarnamen im netz. ein klick genügt, und die ganze facebookfreundeswelt weiß, daß der beziehungsstatus von herrn psychoboy und frau psychogirl kompliziert ist. your love-upgrade, bye bye, buy now, p(r)ay later. denn der trend zum simplen leben wirkt so altbacken wie sarah wieners zöpfe. statt knoten im haar zelebriert der oder die sozialbenetzte authentische hirnverk(n)otungen, um nach  dem  vergeigten hindernislauf beharrlich selbstverteidigungsklatschen zu verteilen: hab ich doch gleich gesagt, daß ich immer auf die beziehungsklobrille pinkle. die selbstreinigende gibt es leider nur im bereich sanitärtechnik (eine bewundernswerte erfindung, gesehen in einer raststättentoilette) und nicht für genügsame schiffeversenker.

und in einem atemzug mit dem untergang der gedeckelten verschwiegenheit und des treffens im kleinen freundeskreis, bemerkte ich in letzter zeit bei manierlichen fragen nach dem stand der liebessterne, wie die scharfe zunge häufiger spontan den plural wetzte. nicht mehr die erkundigung nach der freundin, sondern: was machen die mädels? denn die weltumfassende vernetzung begünstigt eine gepflegte un/verbindlichkeit mal hierhin und mal dorthin. der passwortgeschützte rechner verhindert dabei die eifersüchtige verletzung des zugeklebten briefgeheimnisses aus dem vorigen jahrhundert. freiraum über alles nach dem internetcredo: bei dir bin ich ich und mit ihnen teile ich die vielen anderen ichs. unliebsame namensverwechslungen der gerade aktuellen bettgenossen meidet der multiple multimedialiebeskünstler aber noch ganz traditionell, indem er mit kosenamen jegliche individualität auslöscht. wenn es dann nicht mehr so gut läuft mit den parallelwelten, klickt man einfach im mausitempo weiter im wahlmarkt. im zeitgeist der vielliebigkeit sehe ich mich schon die nächsten umzugskartons von flüchtigen bekannten wuchten… fortsetzung könnte folgen. aber da will ich mich heute noch nicht festlegen.

schleichwerbung

im zusammenhang mit werbung muß vor diesem stencil unbedingt 'leere' stehen.

mit mauerblümchen liebäugelt die pr-agentur häberlein & mauerer ganz gewiß nicht. sie bewirbt marktgiganten, beschäftigt unterbezahlte praktikanten, und nachhaltigkeit kann man bei den produkten auch nur entdecken, wenn man der spur des grünen werbeschleimens folgt, die themen kinderarbeit und sweatshops aber ignoriert. erst im sommer wurden mit viel klimbim und im öffentlichkeitswirksamen blitzlicht die neuen fußball-wm-trikots an den überbezahltesten saubermännern der nation vorgeführt, wobei sich das wunder von südafrika freilich noch im stadium des hirn- und zwirngespinsts befindet. seit einigen jahren empfinden konsumenten promiwerbung als zu plakativ, weswegen sich die agenturen zusehends mit celebrity placement auf verdeckte, werbekrummtouren begeben. und die medien spielen mit, nennen unverblümt, unbekümmert und vom presserat ungerügt die namen von modedesignern, wenn sie über die promiroben ätzen (hier ein aktuelles beispiel aus spon). ganze artikelserien werden michelle obamas kleiderkammer und der ihrer kinder gewidmet, und nachahmer setzen alle nadeln und fäden in bewegung, die entsprechenden kopien sofort auf den markt zu werfen, um glamourgierige kundenwünsche zu erfüllen. ganz egal, wie bescheuert und verkleidet sie darin aussehen.

testimonials, die brav alles kostenlos auftragen, liefern den offen/kundigen beweis für erstrebenswertes, jedoch für den normalo hochpreisiges hab und gut, das selbst bei h & m nicht verschenkt wird. der weg vom erfolgreichen showbiz zum kompletten outfit aus dem pr-showroom ist kürzer geworden, seitdem die engagements rarer  werden und die gagen fallen.  gemeinsam mit dem einkommen sinkt die scham vor käuflichkeit. dabei handelt es sich garantiert nicht mal nur um milde gaben für die werbeträger, sondern um wohl kalkulierte streuung von markentrends. doch scheinbar kratzt jemand am imagelack der promis, die vornehmlich sportler, schauspieler, moderatoren und musiker sind und allesamt das rampenlicht als lebenselixier suchen. die schreiberlinge aus den redaktionen sind offenbar auch nicht mehr namhaft genug. künstler müssen her, befand die agentur. es sollten schriftsteller akquiriert werden für einen wortwettbewerb. flugs versandte man in der agentur pressemitteilungen und einladungen an verlage.

irgendwie war mein gemeinnütziger arbeitgeber auch in den verteiler geraten. etwas, was ich dort vehement und auch persönlich nach außen vertrete, ist unabhängigkeit. ich las also die nachricht und recherchierte ein bißchen und fand mich alsbald auf einem blog für ‚kreative‘ der pr-abteilung von sony ericsson wieder. nun ist es ja gerade bei viele autoren von kleinen verlagen so, daß sie leider nicht von ihren buchveröffentlichungen leben können, sondern sich mit stipendien und literaturpreisen von durststrecke zu hungersnot lavieren oder auch selbst kritiken und andere auftragsartikel verfassen. prinzipiell  steht also der teilnahme an einem wettbewerb erst einmal nichts im wege. da ich aber meistens nur mit verlegern korrespondiere und nur wenig kontakt zu den autoren habe, reagierte ich abschlägig und wies auf meine zwischenstellung hin. prompt folgte von dem pr-proll die schmierige rückfrage, ob ich den text nicht über unseren verteiler an die vielen verlage verschicken könnte? häh? bin ich jetzt die versklavte pr-praktikantin wider willens, die man zum werbespammer einzuspannen gedenkt? schon mal was von datenschutz oder unlauterem wettbewerb gehört?  natürlich habe ich keine  einzige einladung an einen der klassischen buchverlage geschickt, die sich in ihrem selbstverständis derzeit noch vehement gegen die elektronische konkurrenz sträuben, und dann ihren autoren auch noch ebooks als gewinn aufschwatzen sollen. tja, aber von solchen unentdeckten ungereimtheiten lebt die pr-branche. wie ich sehen konnte, hat sich nicht ein einziger prominenter schriftsteller an den pr-wortspielchen beteiligt. habe nur lokalmatadorin else busch(unge)heuer entdeckt, die sich nach der verkündung ihrer bloggerabstinenz im april dann doch noch als mitglied der lead academy vollkommen inkonsequent 500 zeichen aus dem kopf gewürgt hat. die begeisterung unter den literaten war ja dann wohl eher mau(erer).