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patchoulipolizei

wolken

je dunkler die wolken über leipzig am pfingstwochenende, um so farbenprächtiger zeigte sich das partyvolk des wave-gotik-treffens (wgt 2009). möchte der ortsfremde meinen, es handle sich um eine ansammlung von vorwiegend in trauerfarben gekleideten menschen, irrt er. die schwarze szene ist bunt, und selbst für außenstehende wie mich sind die unterschiede recht deutlich. nur kann ich diese nicht zwangsläufig irgendwelchen schubladen zuordnen, die da reichen von goth, elektrofolk, neofolk, bdsm- und anderen fetischen, punk, metall, cyborg, mittelalter bis hin zu visual kei. in der vielzahl der verkleidungen changiert das zwischen christopher street day und love parade. schwarz dominiert deutlich, dominanz führt devot an ketten spazieren, schwarz trifft auf neon, spitze auf latex, leinen auf pelz, corsagen auf netzstrumpfhosen und strapse, mönchskutte auf sensenmann. mittendrin viele neugierige oder schockierte gaffer in jeans, t-shirt und turnschuhen. knipsen, posen, betont gelangweilt dreinschauen, obzwar die grusel/show beiderseits genossen wird.

leipziger müssen gar nichts sehen können, um zu wissen, welches ereignis gerade zelebriert wird. es ist meilenweit zu riechen. es ist nicht ein hauch von patchouli, es sind wahre duftschwaden, die sich in die regenfeuchte luft mischen, die von der sonne in bedrohliche atemnot gegrillt werden, die unter latex, pelz, gummi, leder, kunststoffspitzen und schwerem samt hartnäckig mit bakterien vermischt der zersetzung anheimfallen. da wünscht sich die geplagte nase gerne eine patchoulipolizei, die alle parfumflakons bei der ankunft beschlagnahmt und am einlaß lediglich tropfenweise wieder kontrolliert abgibt. vieles wird einfach zu dick aufgetragen, um aufzufallen. anämisches weiß im gesicht, bunte röhren auf dem kopf, gestalten zwischen anorexie (sensenmann) und adipositas (rubensromantik).

sensenmann1tja, und selbst der tod benutzt heute moderne kommunikationsmittel und klopft nicht mehr einfach nur unangemeldet an der tür, um seine nächsten opfer zu wählen. per handy beauftragt er es, den inhalt der patchouliflasche am ganzen köper zu verteilen, sich dem schweren, muffig-süßlichen duft hinzugeben und auf  sein erscheinen zu warten, um es von den höllenqualen des langsamen erstickungstodes zu erlösen.

ohne nase zuklammern und näselndes sprechen konnte man sich dem fremden zauber nicht nähern. der wind war des todes eilfertiger bruder und hat es eifrig in meine nasenlöcher geblasen, sobald die luft knapp wurde. röööchel, japs. ich habe überlebt, es bedurfte aber eine intensivmedizinischen nasendusche und literweise sauerstoffzufuhr.

zimmerso unaufgeschlossen meine duftempfänger auch sein mögen, die leipziger sind nach wie vor freundliche gastgeber. ganz im stil des mittelalters verfaßte dieser vermieter ein angebot zur übernachtung. die ränder des papiers sind stilecht mit brandrändern versehen worden. für das eher zeitaufwendige styling der meisten gäste ist ein eigenes zimmer freilich gold wert. andererseits ist man dann weit entfernt vom laufsteg auf der agra, einer zeltstadt auf dem festivalgelände.

abgesehen davon hatten zahlreiche geschäfte in der innenstadt und den szenevierteln schwarze fetischdekorationen im schaufenster aufgehäuft. und so verwundert es nicht, wenn vermutlich kunststudenten vor dem museum der bildenden künste in der katharinenstraße an einem bauzaun schwarze müllsäcke drapiert haben, was sowohl aus ferne und nähe stark an latex erinnert. auf einem kleinen weißen schild neben dem luftballon war mit hand das wort ‚garderobe‘ geschrieben worden. eine pittoreske persiflage… ähnlich schlaff im wind baumelnd müssen sich die herrschaften in den stiefeln mit gefühlten drei kilometer hohen absätzen abends irgendwo fallen gelassen haben. schon vom zusehen, wie sie ihre füße matt-vorsichtig voreinander setzten, ohne stützende begleitung keinen meter alleine über das kopfsteinpflaster laufen konnten, verspürte ich phantomschmerzen an allen körperteilen beckenabwärts.

muelltueten4

irokesedie frisur links im bild scheint eine mischung aus irokese (punk) und narrenkappe. die beiden im vordergrund stützten ihr mit ketten und schnallen beschwertes schwarzgewandetes körpergewicht auf wanderstöcke mit totenköpfen.

meditation

bunt gekleidete zaungäste. gucken, reden, meditieren, sonne genießen vor der moritzbastei beim wgt.

military

von der rolltreppe auf die welt hinabschauen: zwischen militär- und schuluniform präsentieren sich diese schnallen lasziv den hinaufrollenden.

mittelalter

da wartet der mönch vermutlich vergeblich auf bekehrung.

punk

punks im leipziger kopfbahnhofsprunk.

wgt3

röhren auf dem kopf, die wie raupen aussehen, corsagen im rücken. aus erfahrung kann ich sagen, daß dreadlocks wesentlich pflegeintensiver sind, weiß aber nichts über die hohlraumgestaltung unter diesen schläuchen.

wgt

romantiker kämpfen mit dem großstadtverkehr. welche stahlkutsche darf es denn sein?

alles in allem eine illustre gesellschaft, in die ich mich jederzeit wieder gern begebe (bis auf den einen herrn in wehrmachtsuniform mit eisernem kreuz als gürtelschnalle – diese ‚provokation‘ halte ich nach wie vor für verfassungsfeindlich und am sichersten in einem museum untergebracht).