wenn es dunkel wird, wenn mein sehsinn an seiner vollen funktionsfähigkeit gehindert wird (ich bin so gut wie völlig nachtblind), dann übernehmen die andere sinne das regiment. es sind die sinne, die vorwiegend die phantasie anregen, wenn keine optischen vergleiche mehr möglich sind. ich spitze die ohren, und wenn ich sie in verschiedene richtungen drehen könnte, würde ich es gerne tun. wieder klingt es so, als würde ich schritte hören. über mir scheint ein flugobjekt zu kreisen. sagt der verstand – die kommen jetzt noch nicht. dafür ist es noch zu früh. das müssen flugzeuge sein, die entweder den flughafen leipzig/halle anfliegen oder dort gestartet sind. die düsen dröhnen. ich rieche. ich schnüffele. ich wittere. und was sagt mein geruchssinn? …rauch. na, nun rennt ja meine phantasie im schweinsgalopp. die werden doch nicht direkt über mir landen wollen? das dach sieht nicht so aus, als würde es die landung eines ufos verkraften. rauchgeruch. feuer? aber wer würde denn hier zündeln? an einigen stellen entdecke ich verkohltes holz, verschmorte elektrogeräte. oh no! und mit einem gedankensrpung, einem satz, sitze ich auf dem scheuenden gaul der angst. er lautet: heilige scheiße, wie mögen die oder das wohl aussehen? und schon startet der bildgenerator in meinem kopf.
ist es eine formlose masse, die mich verschlingen will?
puuuh, glück gehabt. bei näherer betrachtung könnte es auch ein pilz sein. ich sollte doch schneller scharf stellen. mensch, augen, ihr seid aber schon manchmal sehr unzuverlässig!
oder sind es vielleicht doch die berühmten, kleinen, grünen männchen??? ich kann ihr gesicht nicht sehen. sollten sie gar gesichtslos sein?
oha, antennen haben sie auch. und bewaffnet sind sie obendrein. was sich wohl in der kapsel verbirgt?
heute scheint mein glückstag zu sein. denn… tataaa: es ist doch nur eine jungfer im grünen. wäre da dieses summen der bienen nicht gewesen, hätte ich mich optisch nicht mit einem zweiten blick rückversichert. ufff! mein herz wummert.
und was ist, wenn es ein bißchen so aussieht wie die bürsten in der autowaschstraße, mich mit tausenden lappen von meinem menschengeruch reinigt und mich mit einem strahl ins raumschiff katalpultiert?
sind das etwa farbdüsen? werde ich jetzt bunt angespritzt? mir war heute gar nicht so nach body painting zumute. also nicht an so einem verlassenen ort und auch nicht unbedingt öffentlicher natur. also so rein gaaar nicht!
ja, manchmal muß man die dinge einfach mit großem abstand betrachten, um sich nicht vor angst in die hose zu pinkeln. *angstschweiß abtupf*. nur ein mammutblatt. aber riesig, fast doppelt so groß wie ich. da darf doch wohl ein bißchen demut vor der natur angebracht sein.
langsam beschleicht mich dennoch das gefühl, aus allen ecken angestarrt zu werden. wo habt ihr euch versteckt? warum zeigt ihr euch nicht? ich bin alleine! nur mit der kamera bewaffnet. die kann nicht viel ausrichten. meine selbstverteidigungskurse sind auch schon… ähm, sehrsehrsehrsehrsehr laaaaaange her. furchtbar. könnt ich mir schon wieder selbst tadel eintragen dafür! überall augen. ich spüre sie genau. vor allem im nacken, da wo sich die kleinen haare aufgerichtet haben und die haut drum herum unauffällige hügellandschaften bildet. jetzt hört doch mal auf, mich so anzustarren!
würde rick jetzt zu mir sagen: schau mir in die augen, kleines!, ich wüßte ja nicht mal in welches. zu hilfe! das sind ja alles-im-blick-augen. kann ich mich überhaupt irgendwo verstecken? ein schild taucht vor meinem fluchtwege suchenden blick auf, und mein hirn gerät ins stottern: actaea pachypoda. häääh?!!! wie meinen? ach so, steht noch etwas kleiner für mich als botanikdepp drunter: weißfrüchtiges christophskraut. na christoph, du könntest aber ruhig ein paar augen zudrücken… ich würde mich wesentlich besser fühlen, du früchtchen!
und heute nacht träume ich bestimmt nicht gut. ich träume dann von dem verfallenen ringlokschuppen, wo mir so wirres zeug durch den kopf spukte. wir werden uns den ufo-landeplatz morgen vormittag zunächst mal vorsichtig von außen und bei tageslicht anschauen, am abend werde ich der späher sein und in das bauwerk hineinschlüpfen und schauen, wer und was mir noch so alles begegnet.
ist es ein formlose masse, die auf mich zuglibbert und mich verschlingen will? oh, nur ein pilz.