einige randbemerkungen zum frühjahrsrundgang.
kunst fürs volk! so lautete einst die parole der avantgarde. joseph beuys dachte den gedanken noch weiter: jeder mensch ist ein künstler! und wo kann man die realisierung dieser vorstellungen besser beobachten als beim galerierundgang in der baumwollspinnerei in leipzig, der von anbeginn eher volksfestcharakter hatte? und so scheint es nur logisch, daß das transparent auf dem spinnereigelände am arbeiterkampftag und auch am folgenden tag fordert: an das gerät! eine vielzahl der besucher hatte das dann offenbar so interpretiert, sich selbst vorsorglich bei boesner mit künstlerbedarf einzudecken. denn kunst kann ja schon inspirierend sein. und wo kann man sonst an einem feiertag schon sinnfrei konsumieren? also ringelten sich die menschen an den kassen zu schlangen und schleppten to-do-tüten als zeichen ihrer künstlerischen ambitionen durch die galerien und ausstellungshallen. ah, sagte sich die wortfeile, es wimmelt ja geradezu vor kreativen.
unzweifelhaft brutzelten sich mir die verschiedenen rundgänge in der spinnerei und gleichsam der gestrige olfaktorisch in die nasenhärchen und über diverse rezeptoren in mein emotionales gedächtnis. in diesem kunterbunten allerei von kunst- und küchenangebot war für jeden geschmack etwas dabei. hier gönnt man sich etwa champagner oder austern.
ein aufsteller weist den weg zum bioeis, das von der farbintensität her eher an eine chemischen keule gemahnte.
bratwurstdüfte umwaberten nicht nur den eingang zur werkschau, sondern verfolgten uns bis in den letzten winkel der allerheiligsten kunsthallen. die ereignisreiche besichtigung der dort präsentierten rumänischen zeitgenössischen kunst forderte am ende ihren tribut. und weil ich keine farben und keine leinwand dabei hatte, aber meine innovativen ideen sofort umsetzen mußte, bekleckerte ich meine jacke und meine tasche großflächig mit senf. diesen ephemeren, weil umgehend wieder beseitigten kunststil, kennt man unter dem begriff eat art oder aber weniger artifiziell unter dem namen kleckerliese.
griff zu den knabbereien am tresen der werkschau. erst in der mehrdeutigen übersetzung des wortes resolution als auflösung bekommt dieses foto seinen wahren sinn, den der mitnahmementalität für alles, was nichts kostet.
warum ich kaum etwas über die kunst schreibe? nun, das kommt in einigen späteren texten. und außerdem konnten wir vor lauter kunstinteressierten, die mit kind und kegel angerückt waren, kaum etwas davon sehen. in der masse bleibt auch nur wenig einprägsames übrig. alleine schon in die ausstellungsräume hinein zu gelangen, erforderte geschickte schlängelmanöver, weil sich etwa einige kinder vor langeweile das treppengeländer der maerzgalerie als klettergerüst auserkoren hatten.
oder mütter mit kinderwagen den frontalagriff suchten. bloß, was kann ich dafür, wenn der babysitter kurzfristig anderweitige pläne hatte?
das gefühl, von manchen themen/dingen/menschen verfolgt zu werden, kennt sicher auch fast jeder. ich bin scheinbar auf den hund gekommen. kulturhungrig zeigt sich dieses bonsai-exemplar mit herrchen in der galerie eigen+art.
aber hunde gibts freilich auch in größer und andersfarbig. dieser hier wird in der werkschau an der kurzen leine gehalten.
und der schwarze will genauso mitreden und fällt kurz nach dem ablichten mit einem artgenossen in bellende polemik. vielleicht sprechen sie ein bißchen zu laut und kläffend über die kunst und über die menschen, die ihre hunde überall mit hinschleppen. aber die übersetzung aus dem hündischen dürfte wohl eher lauten: reviermarkierung ist auch nicht mehr das, was sie früher einmal war. wir müssen nicht draußen bleiben. und das habt ihr nun davon. (r)aus!
der alte zopf mußte ebenso dran glauben. da hängt er nun an der wand. leider hatte ich die kamera nicht griffbereit, als gerade ein mann an der haarpracht schnüffelte und sie begriffelte. denn irgendwie muß man den sinn der kunst ja wahrnehmen, wenn man sie über die bloße visualisierung nicht für sich erschließen kann.
während wir von exponat zu exponat schritten, schepperte es plötzlich hinter einer stellwand. und da wir das ereignis nicht anhand der akustik einzordnen wußten, gingen wir in sichtweite. da lag das unbetitelte objekt von anca munteanu rimnic zertrümmert auf dem boden, weil ein kunstbegeisterter in der halle wie ein elefant im porzellanladen wütete. oder weil der unglücklich gewählte standort vor dem wandfüllenden, grandiosen werk revolutiON OFF von dan perjovschi (dazu morgen mehr) zum tiefsinnigen betrachten im krebsgang verleitete. oder aber, weil das kunstwerk nicht ausreichend im boden befestigt war. eine verkettung unglücklicher umstände mit dem resultat: kunst, leider kaputt.
und so hallt das graffito sicherheit macht träge! am eingang des geländes düster in uns nach. denn in diesem speziellen fall, unachtsamkeit hin oder her, hätte mehr sicherheit eine zerstörung verhindert. uns hats gereicht. und wir flüchteten vor den kulturvandalen in die natur. denn manchmal braucht man einfach eine andere sichtweise auf die dinge. auch auf die angelegentlich unheilige kunst-kommerz-konsumenten-allianz. die kulturellen gräben sind nämlich nicht mal ansatzweise verfüllt worden oder wenn, dann mit beton.