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zur inneren un/ruhe

wenn die nächtliche schafszählung in die bereiche des unendlichen überzugehen droht, hypnos flügelflatternd neben dem bett fratzen schneidet, sich die einschlaflage also eher durch rege drehungen, kopfkissenverschiebungen und beine rein-raus-streckübungen  in eine schieflage verwandelt, sucht das oberstübchen verzweifelt nach alternativen. pillen? – nö keine pharmakeulen. buch? – spätestens wenn es aus dem bett poltert, reagiert der geist mit heller wachheit. fernseher? – über das miese programm würde ich mich innerlich nur endlos echauffieren. alkohol? – migränetrigger. heiße milch mit honig? igitt, milchhaut finde ich widerlich und erst den geruch von kochender milch… wie ich mich auch drehe und wende, die gedanken rotieren. ja, und nun? augenberingt schleppe ich mich hundemüde durch den tag, um am abend wieder putzmunter von vorne anzufangen. der schlafmangel stand mir derart ins gesicht geschrieben, daß meine nachbarin nach einer cd mit entspannungsmusik griff. warum also den wellnesswahn nicht wenigstens mal testen?

nachts legte ich die cd loslassen 3 ein, die man im webshop von schlafforschern (eigentlich doch ‚experten‘) kaufen kann. lied eins lief, plätscherte, raunte leise harmonische melodien in meine gehörgänge. angenehm. als lied zwei (loslassen-trance) einsetzte, merkte ich gerade noch, wie mich morpheus ins reich der träume zog, bis, ja bis eine männliche, softseidige stimme einsetzte. monoton, mit langen pausen zwischen zunächst einzelnen worten, dann silben, begann der versuch, mir eine phantasiereise einzuflüstern. die inhaltliche banalität erinnerte mich unweigerlich an schnöde schulaufsätze zum thema mein schönstes naturerlebnis. die stimme wisperte musikalisch unterlegt: im—mer…  meeeeeeeeeeeeeehr… loooooos—lassen (refrain). ich begann zu kichern. vollkommen albern. noch mehr solche worte, und ich würde einen lachanfall kriegen. sie kamen: ruuuhe, zuuu—lassen, spüüü—ren, geee—lassen—heit, wooohl—gefühl, genieee—ßen können, kööör—per. ich kringelte mich vor schlaflosigkeit und lachen im bett.

ernüchterndes fazit der probandin: der trick mit der drögen überredungskunst will bei mir einfach nicht funktionieren, auch nicht bei dem darauf folgenden instrumentalstück. nach fast 68 minuten dudelverdummerei bin ich auch meilenweit davon entfernt, mit dem letzten stück zufrieden ein(zu)schlafen. schlichte naturschilderungen treiben mich mit ihren öden phrasen geradezu zur inneren unruhe. welche schnarchnase hat denn bloß diesen text verfaßt? vermutlich irgendjemand, der in jeder noch so  zusammengefalteten position und mit tieffliegern über dem kopf vom schlaf übermannt wird.

wie lautet nun die letzte strophe des einschlafliedes? das mittel meiner wahl heißt hörbuch (belletristik oder wissenschaft), möglichst von nur einem schauspieler gelesen, abgespielt mit dem media player classic und dem rechnerruhemodus hibernate. je anspruchsvoller die texte, um so schneller kann ich ganz beruhigt abratzen. lange schachtelsätze sind meine wirksamste schlaftablette. für das hörbuch der fall von albert camus (gelesen vom grandiosen ulrich matthes) habe ich etwa drei monate gebraucht und es abschließend in wirklich wachem zustand gehört. seit einem monat versuche ich, armin mueller-stahl auf cd 1 zu lauschen, wie er den zauberer von vladimir nabokov vorträgt. nicht, daß jetzt jemand denkt, ich fände die autoren oder schauspieler miserabel, das ganze gegenteil ist der fall. ich kann meinen geist ohne gewissensbisse einem permanenten, abwechslungsreichen, hoch interessanten sprachfluß ausliefern, aber unmöglich abschalten, wenn der insomniepfuscher höchstselbst stumpfsinnige, zerstückelte wellnessvokabeln säuselt. aber mit abweichungen von der norm können unheilige weißkittel nun mal weniger verdienen. pssst! den marketingsatz hast du doch nur geträumt.

man kann nicht alles über einen kamm scheren. asymmetrische taxussäulen im park warbende.