in der dunklen jahreszeit gibt es wenige lichtblicke, dafür jede menge (elektrische) erleuchtung. rauchend und bibbernd stand ich auf einem balkon in berlin und beobachtete vorbeigehende menschen. manche blieben am schaufenster der aktgalerie stehen, um sich an den nacktbildern ihr mütchen zu erhitzen und den mantelkragen im städtischen kühlschrank hochzuschlagen. dann trotteten sie in die nacht, warfen zwischen dem strom der straßenlaternen veränderliche schatten. als kind habe ich mal kurz und vergeblich versucht, mein schattenbild zu verjagen und war darin ungefähr so erfolgreich wie eine katze, die hinter ihrer schwanzspitze im kreis springt. und genauso wie mit hellem und dunklem ist es manchmal mit den worten und den erinnerungen. je mehr man danach sucht, um so stärker scheinen sie sich in die untersten schichten zurückzuziehen, werden ungreifbar, werden schwarz, werden zum ding der unmöglichkeit, dingens eben. es ist als wäre im gedankenstrom eine sperre eingerastet, die besagt, dieses türchen öffnen wir jetzt aber wegen überfüllung oder ausmusterung nicht. gnadenlos frotzelt dahinter der türsteher: bleib draußen, doofes ding du. da hilft nur die abkehr, die ölkanne des bewußten vergessens, ein alkoholrausch, ein bad im wasser der lethe. mit viel glück kehrst du in den schoß der mnemosyne zurück.
aber in letzter zeit häuft sich das vergessen, die verwechslung, die flüchtigkeit der gedanken. erst im sommer bin ich dreimal vergeblich in der gegend herum geirrt, weil ich mir die hausnummer nicht richtig gemerkt hatte. der speicherplatz war ausgereizt, systemabsturz, schwarzer bildschirm. dann habe ich vor einem monat mal mehrere stunden lang meine bude auf den kopf gestellt auf der suche nach einem schwarzen kabel, das eigentlich weiß war. das gegenteilige kann schon mal eintreten, und die ein/bild/ung zeigt mir ihr narrenkostüm. zwar war ich erleichtert, wieder bilder auf den rechner übertragen zu können, aber die zweifel zermürben seitdem den gedächtniskeks in krümel. am freitag bin ich erneut zu einem haus gefahren, an dem ein mir völlig unbekannter name am klingelschild prangte und mein lückenhaftes zahlengedächtnis anprangerte. das sind hinreichende beispiele zum erhellen des umstands, daß wissen in meinem bauartbedingt mangelhaften schädel nicht sicher ist. das wieder/holen aus den windungen ist ja auch nicht zwangsläufig ein gewinn, manchmal allerdings sind kognitive prozesse doch recht nützlich. zusehends verspüre ich die tendenz, jegliche rechthaberei zu verabscheuen und lieber unsicherheit zuzugeben. ich bin nur ein mensch mit hang zum perfektionismus, dem ich immer mehr abschwöre, weil andere menschen das nicht existente fehlerlose wollen und sich eine welt als ersatzteillager bauen. meine ölkanne ist irgendwann leer, die akkus mit ‚lebenslanger‘ garantie auch, das licht wird schwächer, flackert auf und irgendwann verlöscht es. ich sehe duracell-hasen trommeln und verstummen.
und dann kam am montag dieser gebückte, alte, vermutlich demente mann in den laden, redete an einer menschenschlange und am wahrgenommen werden vorbei mit dem verkäufer, der sich ungestört seinem verkaufsgespräch widmete. endlich abgefertigt, irrte er orientierungslos durch den laden auf der suche nach taschenlampen. ein anderer kunde führte ihn hilfsbereit zur lichtquelle. und dann brüllte er durch den laden: ich muß mir nämlich eine taschenlampe kaufen, weil ich habe mich verlaufen. mir ging angesichts dieser logik zwar kein licht auf, weil es draußen zwar relativ dunkel war, aber auch gleichzeitig lichtverschmutzt blinkerte und die gehwege hell ausgeleuchtet waren. manchmal, ja manchmal da sind unsere schlüsse unlogisch. und das ende sowieso.