un:sichtbar

unsichtbar

statusanzeige beim google-chat

ich kann manchmal gar nicht nachvollziehen, warum alle nach transparenz japsen, als hätten sie einen marathon der unklarheiten absolviert und stünden vor einer korsettbedingten ohnmacht, weil die luft knapp wird. die mehrheit mag sich ohnehin nicht mit den quälenden details auseinandersetzen, die ihr leben bestimmen und praktiziert liebend gerne glorreiche selbstbespiegelung in einem johari-fenster mit bruchfesten blinden flecken. die minderheit, die für klarheit plädiert, scheitert schon an den langen schatten der gerichtsbarkeit. so dürfte es nahezu aussichtslos sein, die regierung für vermeidbare fehler zu verklagen. macht und geld hingegen siegen meistens gegenüber öffentlichen interessen. und so hängen wir uns an die windmühlenflügel, bringen sie kurz zum stocken, dann kommt eine böe, man wird mitgerissen, und das ganze räderwerk knarzt weiter, bis eine kritische masse oder völlig marode maschinen den kreislauf stoppen.

wer wünschte sich unter diesen umständen nicht manchmal, maus zu spielen oder gar unsichtbar zu sein, um die hinterhältig  an die beute heranschleichende katze diskret zu beschatten? jedenfalls wäre das weniger aufwendig als günter wallraffs undercover-recherchen. wer aber unsichtbar ist, der war offiziell nie dabei, weswegen ihm die beweislast auf die pfoten klopft und er auf dem blanken tatsachenarsch landet. wäre das system bürgerfreundlich, wäre die absturzstelle weich gepolstert. aber der aufprall ist knallhart.

immer mehr menschen behaupten auch von sich, ihnen sei nichts peinlich. bravo! ist das nun übersteigertes ego oder dummheit? ich kann da nicht mithalten und ich wünschte mir, daß schaufenster, die man irrtümlicherweise wegen ihres durchblicks für durchschreitbar hält, weniger oft geputzt würden, damit sich dieser peinliche auftritt nicht wiederholt. transparenz wirkt an dieser stelle eher verwirrend. und letztlich will ich das meiste gar nicht besitzen, was man mir dort an exponierter stelle als begehrlichkeiten vorführt. selten begegnen mir dort auch menschen, die sich ihre nasen plattdrücken, um  wenigstens redensartlich den wunderdingern hinter glas so nah wie unerreichbar zu sein.

in den ach so sozialen netzwerken kann man hingegen unverfroren dazwischen wählen, ob man sich zeigt oder unsichtbar zuglotzt, was andere gerade tun, wann, wer und wie lange online ist, wer mit wem befreundet zu sein scheint, wer wohin eingeladen wurde und ob er daran teilnimmt… der erkenntnisgewinn ist jedoch für mein empfinden so gering, daß sich derlei inoffizielle schnüffelei lediglich zum stupiden zeitvertreib eignet, am ende aber keine schwarzen trüffel aufgewühlt werden, sondern nur morsches wurzelwerk. wer vorgibt, unerreichbar zu sein, soll doch einfach abschalten. oder bringt uns das virtuelle neben da und nicht da die scheinbar neue existenzform halb da – sprich geistesabwesend? uiuiuiuiui, fast wie im wahren leben.

2 Antworten zu “un:sichtbar

  1. Sehr nach:denkens:wert / sehr lesens:wert.
    VEB wortfeile ist eine echte ent:deckung.

    entdeckt werden ist auch eine form des sichtbar werdens

    Herzl. Gruß, Karlo

    • 😳 in fällen rötlicher gesichtsverfärbung bin ich immer froh, wenn man mich nicht sehen kann. vielen dank :-). und ganz gegen den trend schreibe ich hier nicht, um berühmt zu werden. anonymität ist mein camouflage gegen die verlegenheit.

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